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Prozess um Flensburger BahnhofswaldFledermäuse, Quellen und eine Richterin mit Vorgeschichte

In Schleswig geht es vorm Verwaltungsgericht um den Bebauungsplan für ein Hotel am Flensburger Bahnhof: Hat die Stadt ein Biotop mit Quelle übersehen?

Nach der Besetzung durch Aktivist:innen: Polizisten überwachen 2021 Fällungen im Flensburger Bahnhofswald Foto: Frank Molter/dpa
Esther Geisslinger

Aus Schleswig

Esther Geisslinger

Ein Raunen lief durch die Zuschauerreihen im Gerichtssaal, als die ehrenamtliche Richterin vereidigt wurde: Benita Brackel-Schmidt war Kreisvorsitzende der Grünen im Kreis Schleswig-Flensburg, als die politischen Entscheidungen fielen, um die es bei dem Prozess ging: Hat die Stadt Flensburg bei der Aufstellung des Bebauungsplans (B-Plan) für ein Waldgelände am Bahnhof ein Biotop rund um eine Quelle übersehen? Das Gericht sah dafür Anzeichen.

Was für eine Quelle? Finn-Harm Witt, Anwalt der Flensburger Immobilienfirma Jara, bezweifelte, ob es „überhaupt Sachverstand gibt, um so eine Quelle festzustellen“. Jara, hinter der die zwei Flensburger Unternehmer Ralf Hansen und Jan Duschkewitz stehen, wollte am örtlichen Bahnhof ein Hotel mit Parkhaus bauen.

Doch es gab Widerstand örtlicher Initiativen. Nachdem die Ratsversammlung der Stadt im Sommer 2020 den B-Plan beschlossen hatte, besetzten Ak­ti­vis­t:in­nen das Waldstück. Im Februar ließ Jara das Gelände räumen und einige Bäume fällen – ohne Genehmigung.

Im Juli 2022 begannen erste Erdarbeiten, gegen die der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gerichtlich vorging und einen Baustopp erreichte.

Der Anwalt des Immobilienunternehmens schrieb, dass die Fledermäuse auf dem Gelände als Überträger von Corona keinen Schutz verdienten

Der Hauptgrund war eben die Quelle, die sich in dem Wäldchen befindet. Quellen gelten als geschützte Biotope. Und wenn es ein Biotop auf einem Gelände gibt, könnte der B-Plan hinfällig sein, die Baugenehmigung hätte nicht erteilt werden dürfen.

Um diese Fragen ging es jetzt vor dem Schleswiger Verwaltungsgericht. Die Kammer verhandelte mehrere Fälle parallel: zwei Klagen des BUND, die sich gegen die Stadt Flensburg und das Landesamt für Umweltschutz richten, und die Klage einer Anwohnerin. Im Grundsatz ging es um die Frage, wie schützenswert das Gelände und die dort lebenden Tierarten sind – und ob die Stadt beim Aufstellen des B-Plans nicht ausreichend darauf geachtet hatte.

Während der juristische Vertreter der Stadt sich zurückhielt, kämpfte der Anwalt der Jara unermüdlich. Bereits in einem Schriftsatz hatte er geschrieben, dass die Fledermäuse auf dem Gelände „als Überträger von Corona keinen Schutz verdienten“. Ob die Fläche groß genug sei, einen Wald zu bilden, bezweifelte er ebenso wie die Existenz der Quelle.

Zweifel an der Quelle

Im laufenden Prozess ist die Jara nur „Beigeladene“. Das Ergebnis ist aber für die Immobilienunternehmer wichtig, da sie möglicherweise Schadensersatz von der Stadt verlangen.

Auf die Frage nach der Quelle antwortete Ole Eggers, Landesgeschäftsführer des BUND, der mit seinem Anwalt im Gerichtssaal saß: „Der Bewuchs auf dem Gelände zeigt deutlich den Wasserdruck, das lässt sich kaum übersehen.“

Inzwischen liegen auch neue Gutachten vor, die die Quelle belegen. „Für uns haben sich keine Zweifel ergeben, dass es diese Quelle gibt, dass es sie damals gab und sie nicht berücksichtigt wurde“, sagte der Vorsitzende Richter Mathias Schulz. Auch sonst sah er in seiner ersten Einschätzung Fehler der Stadt. Ein Urteil lag bei taz-Redaktionsschluss noch nicht vor.

Hinweise auf Befangenheit

Nicht berücksichtigt wurden Hinweise aus dem Zuschauerraum auf die mögliche Befangenheit der ehrenamtlichen Richterin Brackel-Schmidt. Die Grünen-Politikerin hatte sich früher mehrfach zu dem Hotel-Bau geäußert. Die Bürgerinitiative wirft ihr vor, sie habe auf Facebook eine gefälschte Skizze veröffentlicht, in der das Hotel kleiner dargestellt war als tatsächlich geplant. Der Eintrag ist heute auf der Plattform nicht mehr zu finden.

Nach der illegalen Räumung des Geländes hatte sie die Jara-Verantwortlichen kritisiert. Die Kammer prüfe nur, ob ehrenamtliche Rich­te­r:in­nen einen Posten in einem Gremium gehabt hätte, sagte Schulz. Das sei nicht der Fall, „der Umstand ist erledigt“.

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