: Prozess gegen Skinheads wird mühsam
Auftakt im dritten Neonazi-Prozess gegen die „SSS“ in Dresden. Die Angeklagten sind diesmal nicht geständig. Die Vorwürfe lauten auf schwere Körperverletzung, Landfriedensbruch, Volksverhetzung. 16 Zeugen sind geladen. Prozesstermine bis Juli
AUS DRESDENMICHAEL BARTSCH
Wie ein Prozessauftakt gegen gefährliche Staatsfeinde mutete das dritte Verfahren gegen Mitglieder der „Skinheads Sächsische Schweiz“, der so genannten SSS, gestern nicht an. Scherzworte flogen nicht nur zwischen den kurz geschorenen sechs Angeklagten und ihren Anwälten hin und her. Auch der Vorsitzende der Staatsschutzkammer Dresden, der Vizepräsident des Landgerichts Rainer Lips, nahm die erwarteten Klippen zum Auftakt mit Humor. Einzig der strenge Filz beim Einlass und die hohe Zahl von jeweils zwei Verteidigern pro Angeklagtem deuteten auf die Brisanz des Verfahrens.
Dabei hat auch dieser dritte Prozess gegen die zwischen Pirna und Sebnitz agierenden militanten Rechtsextremisten eigentlich nichts an Schärfe eingebüßt. Die von den so genannten Members-Führungskadern militärisch geführte Organisation hatte sich zum Ziel gesetzt, die Erholungsregion Sächsische Schweiz von Ausländern, Drogenabhängigen und linken Jugendlichen „zu säubern“. Dem dienten ein „Zeckenerfassungsprogramm“ und militärische Übungen.
Zahlreiche Übergriffe werden der SSS zur Last gelegt. Die Anklage wirft den nunmehr vor Gericht stehenden sechs Jugendlichen der mittleren Führungsebene im Alter zwischen 21 und 27 Jahren schwere Körperverletzung, Landfriedensbruch und Volksverhetzung vor. Wie schon bei den ersten beiden Verfahren wird ihnen auch diesmal die Bildung einer kriminellen Vereinigung zur Last gelegt, bis dahin ein Novum in Prozessen gegen Neonazis.
Nach dem Verbot der SSS im Jahr 2001 waren 82 Mitglieder von der Staatsanwaltschaft verfolgt worden. 26 müssen sich letztlich vor Gericht verantworten. Der gestern begonnene Prozess lässt einen komplizierteren Verlauf als die ersten beiden erwarten.
Nachdem im ersten Prozess die Angeklagten erst nach zähen Verhandlungen Geständnisse ablegten und damit die Strafen milderten, kürzten die Angeklagten im zweiten Prozess des Vorjahrs das Verfahren durch meist pauschale Geständnisse ab.
Zumindest vier der sechs nunmehr vor Gericht Stehenden verweigern jedoch ein Schuldgeständnis. Oberstaatsanwalt Jürgen Schär gibt sich jedoch optimistisch: „Wir haben eine schwere Beweislast.“ Bis Ende März sollen deshalb zunächst 16 Zeugen gehört werden. Der Terminplan reicht jedoch bis in den Juli dieses Jahres.
Für offensichtliche Verstimmung beim Vorsitzenden sorgte eine noch am Abend zuvor vom sächsischen Oberlandesgericht getroffene Entscheidung, die Nebenklage von Opfern der Schlägertruppe zuzulassen. Dies war bislang umstritten, weil einige der Angeklagten zur Tatzeit noch minderjährig waren. Der Angeklagte André F., in Handfesseln aus der U-Haft vorgeführt, muss sich außerdem in einem abgetrennten Verfahren wegen eines Brandanschlags auf einen Roma-Wohnwagen verantworten.
Beobachter der rechten Szene aus Antifa-Kreisen wissen, dass sich nach dem SSS-Verbot eine neue Generation jugendlicher Rechtsextremisten in der Region formiert. Sie treten weniger offen und frontal gewalttätig auf. Auch der sächsische Verfassungsschutz konstatiert eine wachsende Flucht vor dem Verfolgungsdruck in lose Kameradschaften und informelle Netzwerke.