Prozess gegen Angreifer von Dilan S.: Unschöne Szenen, Prozess vertagt
Der Prozess gegen die mutmaßlichen Angreifer*innen von Dilan S. wurde vertagt, weil ein Angeklagter fehlte. Vor Gericht pöbelten die rechten Angeklagten.
Im Vorfeld hatte die antifaschistische „Schaut-nicht-weg!“-Kampagne dazu aufgerufen, solidarisch zu sein und den Prozess am Montagmorgen gegen die Angreifer*innen von Dilan S. zu verfolgen. Faschist*innen sollten keine Plätze überlassen werden, hieß es im Aufruf. So kamen dann auch nur die mutmaßlichen Täter*innen und soweit ersichtlich keine Unterstützer*innen der angeklagten Frauen und Männer zwischen 24 und 55 Jahren in den Gerichtssaal. Der Zuschauerraum war gefüllt. Dort saßen neben Freund*innen und Familie von Dilan S. augenscheinlich Personen, sie sich mit S. solidarisierten.
Der Prozess selbst wurde dann aber von der Richterin auf den 3. April verschoben, weil einer der Angeklagten, Heiko S., nicht erschienen war. Angeblich wegen Corona. Die Vorsitzende Richterin Marieluis Brinkmann wollte das prüfen und vertagte den Prozessauftakt, weil den Angeklagten gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt wird. Als Verteidiger der Angeklagten waren die Anwältin Britta Kempke sowie der Anwalt Frank Scherf vor Ort.
Angeklagter bepöbelt Mutter des Opfers
Unschöne Szenen gab es trotz der Vertagung: Die anwesenden Angeklagten, die nach taz-Recherchen zumindest zum Teil der rechtsoffenen Kneipenszene um BFC-Dynamo-Hooligans angehören, widersprachen erfolglos der Beiordnung von Dilan S. als Nebenklägerin. Sie hätte sich ja schon ausreichend in den Medien geäußert, so das fruchtlose Argument der Rechtsextremen.
Beim Rausgehen bepöbelte einer der Angeklagten noch die Mutter des Opfers, die ebenso wie Dilan S. sichtlich angefasst war und im Gerichtssaal mit den Tränen kämpfte, nachdem der Prozess vertagt wurde.
Im Anschluss lungerten die Angeklagten noch kurz vorm Gerichtsgebäude herum. Ein Unterstützer mit kurzgeschorenen Haaren und Basecap trank um halb elf ein großes Bier. Es handelte sich offenbar um den rechten Gewalttäter Kevin P. Mehrere der mutmaßlichen Täter*innen fotografierten noch das Opfer und ihre Begleiter*innen. Fotos machte auch die Hauptangeklagte Jennifer G., die auch Inhaberin der „Ariya Lounge“ in der Greifswalder Straße ist, in der sich die Gruppe offenbar häufiger trifft. Dilan S. und ihre Begleiter*innen wechselten sicherheitshalber die Straßenseite, bevor sich beide Grüppchen in verschiedene Richtungen entfernten.
Als parlamentarische Beobachterin war auch die Linken-Abgeordnete Elif Eralp vor Ort. Sie sagte der taz: „Die Beschuldigten haben sich total daneben benommen, indem sie infrage gestellt haben, ob Dilan S. überhaupt im Verfahren eine Anwältin haben soll.“ Das sei persönlich sehr unschön für Dilan S. gewesen, ebenso wie die Vertagung des Prozesses, die rechtlich allerdings okay sei, weil die Tat gemeinschaftlich begangen worden sein soll, so die Volljuristin.
Gut war laut Eralp, dass so viele Menschen zur Unterstützung gekommen seien und das öffentliche Interesse am Fall weiter hoch sei: „Das ist das Wichtigste, damit Menschen da draußen hören, was passiert ist und Zivilcourage zeigen.“ Das sei für sie eigentlich das Erschreckendste an dem Fall: „Einige Menschen waren während der Tat im Umfeld und haben nicht eingegriffen oder geholfen, während 6 Erwachsene eine 17-Jährige geschlagen haben“, so Eralp.
Auch forderte die Linken-Abgeordnete eine offizielle Entschuldigung von der Polizei bei Dilan S. Denn in der Pressemitteilung der Behörde hieß es zunächst, dass die 17-Jährige angegriffen worden sei, weil sie keine Maske getragen habe. Dilan S. hatte selbst per Instagram-Video aus dem Krankenhaus auf die rassistische Dimension der Tat hingewiesen, woraufhin der Fall bundesweit Aufsehen erregt hatte.
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