: Protestversammlung im Trabi-Werk
■ Werk lahmgelegt durch gemeinsame Aktion von Belegschaft und Geschäftsleitung gegen den von Wirtschaftsminister Haussmann ausgesprochenen Exportstopp/IGM-Chef Steinkühler protestiert
Zwickau (dpa) — Gestern standen alle Bänder im Trabi-Werk Zwickau still. Belegschaft und Geschäftsleitung des Sachsenring-Werks protestierierten gemeinsam gegen die Entscheidung von Bundeswirtschaftsminister Haussmann, keine Genehmigung für den Export von 10.000 Trabis nach Polen zu erteilen. Ein Teil der betroffenen Arbeitnehmer fuhr nach Dresden, um vor dem Parlament gegen die Entwicklung zu protestieren.
Zur Zeit arbeitet das Zwickauer Werk auch noch an 26.000 Wagen für Ungarn. Doch wenn das Polen- Geschäft nicht genehmigt wird, muß die Produktion nach Werksangaben zum 1. Dezember eingestellt werden. 4.000 Beschäftigte wären davon bei Sachsenring betroffen, 40.000 in der Zulieferindustrie, hieß es in Zwickau.
Der Vertrag zur Lieferung von 80.000 Trabant 1.1 nach Polen waren bereits Gegenstand des noch unter der de-Maizière-Regierung bestätigten Ministerratsbeschlusses zur Strukturentwicklung im Automobilbau auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, schreibt die Berliner Tageszeitung 'Tribüne‘. Polen will die Autos laut Vertrag in Transferrubel, der alten Verrechnungseinheit des Ostblocks bezahlen. Die Bundesregierung müßte für den Umtausch in D-Mark geradestehen. Und die argumentiert jetzt, daß der Wert des Transferrubel (derzeit 2,34 DM) bei der Abrechnung mit Polen im nächsten Jahr fast Null sein könnte. Das Wirtschaftsministerium vertritt nach Angaben des Sachsenring-Vertriebsleiters Friedrich Hendel die Ansicht, die deutschen Exportüberschüsse mit Polen seien bereits hoch genug. Das Wirtschaftsministerium verlangt von den Trabi-Produzenten zunächst ein Sanierungskonzept, läßt aber gleichzeitig durchblicken, daß es das Fahrzeug nicht für konkurrenzfähig hält. Das bestreiten die Zwickauer Manager.
Das Sachsenring-Werk sei auf die Erlöse aus den Exportgeschäften angewiesen, um das geplante gemeinsame Projekt mit Volkswagen finanzieren zu können, erklärte Sachsenring-Geschäftsführer Wolfgang Neef. Sachsenring muß dafür 87,5 Prozent des Stammkapitals in Höhe von zehn Millionen DM aufbringen. Das Unternehmen pocht außerdem auf den Vertrauensschutz für alte Lieferverträge im Einigungsvertrag.
IG-Metall-Chef Franz Steinkühler forderte Haussmann auf, die Exportgenehmigung unverzüglich zu erteilen. Ihre Verweigergung gefährde Tausende von Arbeitsplätzen, warnte der Gewerkschaftsführer. Es gehe nicht um die „unbegrenzte Verlängerung einer betriebswirtschaftlich und umweltpolitisch unhaltbaren Produktion“. Vielmehr sei es sinnvoller und im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer, „vorübergehend Beschäftigung zu finanzieren als Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld zu zahlen“.
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