Proteste in Nigeria: Morde und Entführungen
Im Bundesstaat Katsina wollen viele die Gewalt von Banden und Terroristen nicht mehr akzeptieren. Auch Armut und Arbeitslosigkeit verschärfen sich.
Mitunter ist von Tausenden die Rede. Distanz, um die Verbreitung von Sars-CoV-2 einzudämmen – Katsina hat 414 positive Tests –, zählt nicht. Die Wut ist zu groß, kommt es doch mitunter täglich zu Überfällen, Entführungen und Ermordungen. Die regierungskritische Onlinezeitung HumAngle schreibt, dass allein vom 8. bis 15. Juni 75 Menschen umgebracht wurden.
Die Auswirkungen sind verheerend. Die Arewa Youth Traders Association, ein Zusammenschluss junger Geschäftsleute im Norden Nigerias, schreibt in einer Mitteilung, dass sofort gehandelt werden müsse, um die Region nicht zu zerstören. Die Situation habe Armut und Arbeitslosigkeit verschärft. Die Auswirkungen der Gewalt im ländlichen Raum seien auch im Nachbarbundesstaat Zamfara sichtbar: Farmland liegt brach, Familien gehen die Einkünfte aus, Nahrungsmittel können knapp werden.
Gouverneur Aminu Masari vom regierenden All Progressives Congress (APC) hat vor Journalist*innen eingestanden: „Ich habe versagt.“ Die Banditen seien schlimmer als Tiere. Mit diesem Verhalten habe er nie gerechnet. Vor den Wahlen im März 2019 hatte er noch betont, dass die Gewalt die Nachbarbundesstaaten betreffe und Katsina friedlich sei.
Wenig Chancen
Präsident Muhammadu Buhari, dessen Heimatbundesstaat Katsina ist, hat ein Ende der Proteste gefordert. Das Militär würde sich um die aktuellen Herausforderungen kümmern, sagte er. Amnesty International hat die Regierung aufgefordert, Nastura Sharif, Chef einer Koalition nichtstaatlicher Gruppierungen aus dem Norden, unverzüglich aus dem Polizeigewahrsam zu entlassen. Er hatte die Proteste mit organisiert.
Katsina galt lange als eine ruhige, abseits gelegene Provinz, die schlecht angebunden ist und aktuell wenig Chancen bietet. Wie der ganze Nordwesten auch, der die ärmste Region Nigerias ist. Nicht einmal jede*r Dritte kann lesen und schreiben.
Verschärft hat sich seit Jahren der Kampf um Ressourcen. Viehhirten, die meist der ethnischen Gruppe der Fulani angehören, suchen nach Weideflächen. Farmer, häufig Haussa, benötigen Ackerflächen. Beide haben Selbstverteidigungsbündnisse gegründet. Organisierte Banden, die auch Vieh stehlen, mischen ebenfalls mit. Den Konflikt verschärft der Klimawandel. Fruchtbare Flächen werden kleiner, aus Bäumen wird Feuerholz.
Nach Einschätzung der Denkfabrik International Crisis Group (ICG) mit Sitz in Brüssel gewinnen zudem Terrorgruppen an Einfluss. In einem Bericht von Mai heißt es, dass die Region eine Landbrücke für Terroristen werden könne, die im Sahel und um den Tschadsee operierten. Da die Grenzen schlecht gesichert sind, dürften der Transport von Waffen und der Austausch von Kämpfer*innen problemlos sein.
Westafrikanische Vernetzungen
Zwar wurden die Terrorbewegungen lange einzeln betrachtet. Doch seit 2019 werden westafrikanische Vernetzungen deutlicher. Laut Informationen der ICG könnte zudem eine inaktive Terrormiliz, Ansaru, wieder aufleben.
ICG schreibt, dass durch den Konflikt im Nordwesten seit 2011 mindestens 8.000 Menschen gestorben und über 200.000 nach Niger geflüchtet seien. Im April hatte das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) vor allem in der Region Maradi 23.000 Neuankünfte gezählt. Da die Gewalt sich in die Grenzregionen ausdehnt, sind auch auf nigrischer Seite 19.000 Menschen geflohen.
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