Proteste gegen Autobahnbau in Frankfurt: Fechi und Lützi sollen bleiben

Eine geplante Autobahn durch den Fechenheimer Wald sorgt in Frankfurt für Proteste. Wie in Lützerath Enttäuschung über die Grünen.

Protestierende mit Plakaten

Der Fecher Wald soll bleiben – forderten diese Protestierenden schon im November Foto: dpa

FRANKFURT taz | Vor dem DGB-Haus haben sich an diesem Samstag mehr als 300 DemonstrantInnen versammelt. Einige halten Banner hoch: „Frieden den Pflanzen und Tieren im Wald“ steht da oder, „die Grünen versagen beim Klimaschutz!“ Viele der AktivistInnen tragen Maler-Overalls. Ihr Protest erinnert an den in Lützerath im rheinischen Kohlerevier. Dort geht es um das Klima und den Flächenfraß beim Braukohleabbau, in Frankfurt am Main gibt es aus ähnlichen Gründen Krach um das Autobahnprojekt „Riederwaldtunnel“ im Fechenheimer Wald. „Lützi bleibt, Fechi bleibt“ hat einer auf ein Pappschild gemalt.

Für die Trasse, die auch ein Wohngebiet durchschneidet, sollen Bäume fallen. Gut zwei Hektar Auenwald eines verlandeten Main-Altarms sind der geplanten Autobahn-Verbindung zwischen A661 und A66 im Weg. Die Berliner Ampel pocht auf Umsetzung des Bundesverkehrswegeplans, auch die schwarz-grüne Landesregierung steht zur Waldrodung. 15 Jahre nach dem ersten Planfeststellungsbeschluss halten Klimaschützer und Umweltverbände das Projekt für rechtswidrig; die Zerstörung dieses wertvollen Biotops sei weder mit Klimaschutz noch Grundgesetz vereinbar. „Fecher bleibt“ skandieren die Menschen vor dem DGB-Haus, in dem Politprominenz zum Neujahrsempfang erwartet wird.

Umweltverbände, Klimaschutzorganisationen, Einzelpersönlichkeiten haben dazu aufgerufen, die BaumbesetzerInnen im Fechenheimer Wald zu unterstützen. Bereits seit September 2021 harren mehr als ein Dutzend junger Leute im bedrohten Wald aus. Zum Wochenende haben die hessischen Forstbehörden das Betretungeverbot für den Wald verschärft und damit die BaumbesetzerInnen ins Unrecht gesetzt. „Nicht die sind kriminell, sondern die, die auf Biegen und Brechen gegen die Gesetze verstoßen und die Lebensgrundlagen künftiger Generationen zerstören“, ruft Emanuel Schaaf von „Wald statt Asphalt“ durchs Megafon. Der Riederwaldtunnel werde nicht nur die Klimakatastrophe beschleunigen, sondern auch für mehr Verkehr und damit für schlechtere Luft in der Stadt sorgen: „Mehr Menschen werden an Demenz, Alzheimer und Parkinson erkranken und daran sterben“, sagt Schaaf.

Am Seiteneingang des DGB Hauses kommentieren auf dem Weg zum Empfang vier der Frankfurter OB-KandidatInnen für die Neuwahl im März den Protest. Nur die chancenlose Bewerberin der Linken, Daniela Mehler-Würzbach schließt sich inhaltlich den DemonstrantInnen an. Die Matadore von CDU und FDP, Uwe Becker und Yanki Pürsün, führen Bedürfnisse der Anwohner ins Feld, die im Riederberg unter Staus und Luftverschmutzung litten. Mit ihren Statements ernten sie Pfiffe. Grünen-Kandidatin Manuela Rottmann lobt zwar die Klimabewegung. Doch wie ihr Parteifreund, der zuständige Landesbauminister Tarek Al-Wazir, hält auch sie den Rechtsweg für „erschöpft“. Immer wieder habe sie erleben müssen, „dass ich solche Projekte nicht verhindern kann“ räumt die frühere Berliner Staatssekretärin Rottmann ein – und klingt dabei resigniert.

Keine guten Karten für die Grünen

Die Grünen haben beim Autobahnkonflikt – wie in Lützerath – keine guten Karten: Am frühen Morgen war vor der Frankfurter Grünen-Geschäftsstelle „Totholz“ abgelegt worden, wegen des „mangelnden Widerstands“ der Partei. Auch der Frankfurter SPD-Kandidat für die OB-Wahlen, Stadtbaurat Mike Josef, hat sich mit der Dauerbaustelle abgefunden. Es gehe jetzt darum, wenigstens den weiteren Ausbau von A 3 und A5 auf Frankfurter Stadtgebiet zu verhindern, sagt er am Rande des DGB-Treffens. „Heute würde man das so sicher nicht mehr planen“, sagt auch SPD-Landtagskandidatin Stefanie Minkley. Sie zweifelt, dass der Tunnel die den Anrainern versprochene Entlastung bringt. Und appelliert „an den Bundesverkehrsminister das Projekt Riederwaldtunnel zu überdenken.

Im Frankfurter Osten stehen die Zeichen indes auf Konflikt. Neben dem geplanten „Baufeld“ hat die Polizei einen Containerpark aufgestellt, Großraumzelte schützen Harvester und schweres Gerät, mit dem die Autobahn GmbH „ein freies Baufeld“ durchsetzen will. Im Wald trifft die taz „Klara“.

Sie bemalt ein Banner. Natürlich habe sie Angst vor der Räumung, sagt sie. „In Workshops sprechen wir über das, was passiert, was wir an Polizeigewalt erwarten. Wir bauen an Baumhäusern und Strukturen, die die Räumung aufhalten, verteilen Essen, falls wir belagert werden,“ macht sie sich Mut. Wie sie trägt auch „Malek“ eine Sturmhaube, nicht wegen der Kälte. Sie wollen anonym bleiben. „Wir lassen uns nicht krass verrückt machen“, sagt der junge Mann.

Gnadenfrist für den Eichen-Heldbock

Bis zuletzt setzen die AktivistInnen auf den streng geschützten Eichen-Heldbock. Spät wurde das eindrucksvolle Insekt mit bis seinen bis zu fünf Zentimetern langen Fühlern im „Fecher“ entdeckt. Da war die Umsiedlung der geschützten Zauneidechsen bereits abgeschlossen, die Umzugshilfen für die seltene Bechsteinfledermaus schon aufgestellt. Mit einem Gutachten will die Autobahngesellschaft allerdings nachgewiesen haben, dass nach einer zweistufigen Rodung der Käfer im Rest des Walds überleben kann – und zwar in einzelnen Eichen, die stehen bleiben. Umweltorganisationen versuchen nun, dem Heldbock in letzter Minute mit einer Klage eine Gnadenfrist zu erstreiten.

600 Millionen Euro Baukosten sind für das Projekt einkalkuliert, für 2,2 km Autobahn. „Und das, obwohl nicht klar ist, dass der Tunnel in zehn Jahren überhaupt in Betrieb gehen kann“, wundert sich Willy Breder vom BUND. Rechtlich sei ein ausreichender Lärmschutz bei der A661 und deren Einhausung im Stadtteil Bornheim als unabdingbare Voraussetzung Teil des Planfeststellungsbeschlusses, sagt der 63-Jährige; für die Einhausung gebe es aber nicht einmal einen abgestimmten Plan, geschweige denn eine Finanzierung.

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