piwik no script img

Protest in der Botschaft

■ Menschenrechtler gegen Kroatien

Bonn (taz) – Nicht als „Besetzung“, sondern als „Ausharren in einer Botschaft, die auch ein Stück zu uns gehört“, bezeichnete gestern Menschenrechtler Tilman Zülch eine Aktion der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ (GfbV) in Kroatiens Vertretung in Bonn. Nach einer Mahnwache vor dem Botschaftsgebäude hatten sich Zülch und zwei weitere VertreterInnen der GfbV zu einem erbitterten Wortgefecht mit Kroatiens Gesandten Benjamin Tolić in die kroatische Vertretung begeben. Als „Protest gegen die Kriegsverbrechen kroatischer Truppen in Bosnien“ entschieden sie sich dann zum „Ausharren“ im Amtszimmer des Botschafters, „bis Kroatiens Präsident Franjo Tudjman unseren Forderungen entgegenkommt“, so Tilman Zülch.

Die Menschenrechtsorganisation verlangt von der Regierung in Zagreb, „endlich die Konzentrationslager der bosnischen Kroaten, wie etwa in Mostar und Čapljina, aufzulösen“. Auch soll Kroatien die Versorgung der hungernden Menschen in Bosnien sicherstellen. Nach offiziellen Schätzungen werden in kroatischen Lagern derzeit über 15.000 Muslime unter menschenunwürdigen Bedingungen gefangen gehalten. Gleichzeitig forderte die GfbV die Zagreber Regierung unter Präsident Tudjman „zur Umkehr“ auf. Dessen Politik, so Zülch, habe sich mittlerweile „zu einer Aggressionspolitik gegen die Muslime gewandelt“, so daß Tudjman „als Kriegsverbrecher“ in die Geschichte eingehen werde. Die GfbV bedauert vor allem, daß sich noch vor zwei Jahren viele „anständige Menschen“ für eine Anerkennung Kroatiens und „damit auch für die Errichtung dieser Botschaft“ eingesetzt hätten. Damals seien die Kroaten Opfer gewesen, heute seien sie zugleich Täter, meinte Zülch.

Der kroatische Gesandte Tolić wies dagegen empört jegliche Schuldzuweisung an die Adresse Zagrebs von sich. Die Lager, die in der Presse immer als „Konzentrationslager“ bezeichnet würden, seien nach Ansicht des Kroaten lediglich „Kriegsgefangenenlager“, die im übrigen kurz vor der Auflösung stünden. Tolić weiter: „In Bosnien gibt es keine Soldaten der Republik Kroatien.“ Bosnier und Kroaten seien Verbündete, so Tolić. Das hätte auch die letzte Unterredung zwischen Tudjman und dem bosnischen Präsidenten Izetbegović gezeigt. Hasso Suliak

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen