: Protest gegen Ausländerpolitik
■ „Verheiratet ist nicht genug“ / Protest gegen rigide Ausländergesetze in Bayern und Baden–Württemberg Initiative gegen Familientrennung verbucht erste Erfolge / Junge Türkin wird vorerst nicht abgeschoben
München (taz) - Für die junge Türkin Adile Dagdelen (22), Mutter eines zweijährigen Sohnes, konnte das Damoklesschwert der Ausweisung noch einmal abgewendet werden. Sie kann vorerst, bis das Verwaltungsgericht Ansbach entschieden hat, bei ihrem in Nürnberg lebenden Ehemann Murat bleiben. Nach den Richtlinien, die für den Familiennachzug von Ausländern aus Nicht–EG–Ländern gelten, hätte sie noch in diesem Monat in die Türkei zurückkehren müssen. Schuld an diesem Stück Familienzerstörung ist jedoch vor allem die bayerische Verschärfung der Zuzugsregelung. Bayern und Baden–Württemberg verlangen als einzige Bundesländer für den Nachzug von Ehepartnern aus den Heimatländern eine mindestens dreijährige Ehezeit. In den übrigen Bundesländern gilt neben den üblichen Auflagen bereits das einjährige Bestehen der Ehe als ausreichend. „Das hat für mich schon einen rassistischen Beigeschmack“, kritisierte gestern auf einer Pressekonferenz des bayerischen Arbeitskreises gegen Familientrennung in München Walter Weiterschan von der Bayerischen Arbeiterwohlfahrt diese rigiden Bestimmungen. Seit Ende 1985 versuchen sich auch betroffene junge Ausländer dagegen zu wehren. In den bayerischen Städten Ingolstadt, Nürnberg, Augsburg und München haben sie sich zu Initiativgruppen zusammengeschlossen, die von den Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden sowie SPD und Grünen unterstützt werden. „Natürlich war es nur ein Teilerfolg für einen Freund von uns“, berichtete der 20jährige Cetin Oraner von einer Fastenaktion in der Münchner Kreuzkirche im vergangenen Jahr. Immerhin konnte die junge Ehefrau danach einen Monat länger in der BRD bleiben. Einen Teilerfolg erreichte die Gruppe auch mit ihrem Hungerstreik gegen die Ausweisung von 60 jungen türkischen Familien Ende vergangenen Jahres in Ingolstadt. Der dortige CSU–Bürgermeister Peter Schnell erhielt für die Duldung jedoch bereits eine Rüge von Strauß. In einem Brief betonte der bayerische Ministerpräsident, daß keine Zugeständnisse gemacht werden dürfen und die Sonderregelung auf jeden Fall bestehen bleiben müsse. Selbst der bayerische Städtetag forderte Strauß auf, diese Regelung abzuschaffen. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, rufen die jugendlichen Ausländer am kommenden Samstag zu einer Demon stration in München auf, zusammen mit Unterstüterkreis, der von den Kabaretisten Dieter Hildebrandt und Helmut Ruge sowie Münchens zweitem Bürgermeister Klaus Hahnzog (SPD). Demo: Sa, 21.2. um 10.30 am Odeonsplatz
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