: Propaganda an jedem Hundehaufen
■ Die Poster-Taktik der Hamburger Sozialdemokraten: CDU macht dicke Backen Von Uli Exner
Hamburgs CDU spitzte kräftig den Mund: „Wir fordern Sie auf, innerhalb von 24 Stunden ihre rechtswidrige Plakatierung zu entfernen,“ schrieb Wahlkampfmanager Wulf Brocke im Juni an die Kollegen von der SPD. „Geschieht dies nicht, behalten wir uns den juristischen Weg vor.“
Mit dem Pfeifen klappte es dann nicht ganz so gut. „Wir haben vom Rechtsweg abgesehen“, berichtet Pressesprecherin Kathrin Prüger der taz. Dabei hat sich seitdem eigentlich nichts geändert.Ganz Hamburg ist von sozialdemokratischer Wahlwerbung besetzt. Neueste Variante: Ein reisefreudiger Genosse, der vorgibt, gerade „unterwegs“ zu sein, und dabei am 18. August mal den Dom besuchen möchte.
Haben wir ja nichts dagegen, muß man ja nicht hin. Fragt sich nur, ob er dies – bestens plaziert über jedem Hundehaufen der Innenstadt – auch 700 mal ankündigen muß.
Ja, sagt Thomas Böwer, seines Zeichens Wahlkampfmanager der Hamburger SPD und vermeidet gerade noch so eben Engholms „Wat mut dat mut“. Wär ja auch zu peinlich gewesen. Wo doch eigentlich der Björn an Stelle vom Rudi ....
Sozi Böwer jedenfalls meint, daß sein Kandidat sich ausgezeichnet einpaßt ins Hamburger Stadtbild und im übrigen halte sich die SPD bei ihren Plakataktionen „völlig an die Bestimmungen“. Die sind nachzulesen in der „Verfahrensanweisung über die Werbung für politische Zwecke auf öffentlichen Wegen“.
Danach dürfen Parteien eigentlich nur vier Wochen vor einer Wahl werben. Es sei denn ... Wie gesagt, es folgen 15 Seiten, in denen nachzulesen ist, wo, wann und unter welchen Umständen die Parteien eben doch auch vor Beginn der vier Wochen Frist kleben darf. Wer sie durchliest, findet heraus, daß Rudi derzeit kleben darf, wo er gerade klebt. Etwas anders sieht es da schon mit jenen Hamburger Genossen aus, die in den sieben Hamburger Bezirken auf 1300 weiteren SPD-Plakaten Werbung für Rudis Wahlprogramm machen. „Sonnenenergie fördern – 100.000 Dächerprogramm“ wirbt derzeit beispielsweise in Altona der Bergedorfer Bundestagskandidat Rolf Niese und lädt zu einer Informationsveranstaltung ins Kurt-Schumacher-Haus.
Leider können wir Rolf Nieses Rudi-Prop nicht mehr erleben. Die Veranstaltung hat bereits am 25. Juli stattgefunden, weshalb die Plakate laut „Verfahrensanweisung“ eigentlich schon längst abgeräumt sein müßten. „Ein Problem der Altonaer,“ analysiert Thomas Böwer und verweist auf die hohen Temperaturen sowie die damit verbundene Nachlässigkeit seiner bezirklichen Wahlhelfer.
Die hätten Rolf Niese nämlich schon mit einem neuen Poster überkleben müssen, weil Werbung für Info-Veranstaltung der Parteien nur jeweils zehn Tage vor dem Termin hängen darf. Kleiner Fauxpas, oder vielleicht doch Kalkül?
Das meint jedenfalls ein eifriger taz-Leser in der Bezirksverwaltung, der die sozialdemokratische Poster-Taktik gnadenlos entlarvt: Ziel sei die „andauernde vorzeitige Wahlwerbung“, so daß zu Beginn der „erlaubten Wahlwerbung Mitte September alle Schilder der SPD bereits an den besten Plätzen stehen“. Und: „Die Abräumung nach der Europawahl im Juni 94 hat man sich auch kostenmäßig gespart“.
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