„Project 2025“-Manifest in den USA: Ein autoritärer Herrschaftsplan
Das „Project 2025“ ist eine Blaupause für den grundlegenden Umbau der US-Demokratie. Was genau sieht das Manifest vor?
Was ist das „Project 2025“?
Das von der konservativen Heritage Foundation kuratierte und zusammen mit vielen anderen rechten Thinktanks und Lobbyorganisationen veröffentlichte Werk, ist wohl der detaillierteste Plan für eine Regierungsübernahme, der in der US-amerikanischen Geschichte je geschrieben wurde. Auf über 900 Seiten legen die 34 Autor*innen – 31 davon Mitarbeiter*innen der ersten Trump-Regierung – ihre Ideen zur Umgestaltung der Exekutive dar. Kernsätze sind etwa: Nichts ist „wichtiger als der Rückbau des zentralisierten Verwaltungsstaats. Politisch ernannte Beamte, die dem Präsidenten unterstellt sind und in der Exekutive Entscheidungsbefugnis haben, sind der Schlüssel zu dieser wichtigen Aufgabe. Die nächste Regierung darf diese Autorität nicht an überparteiliche „Experten“ abtreten“.
In politisches Handeln übersetzt heißt das: Statt des bei einem Regierungswechsel üblichen Austauschs von rund 4.000 leitenden Regierungsmitarbeiter*innen auf Bundesebene sollen ungefähr 50.000 Posten innerhalb aller Bereiche der Bundesregierung mit Trump-loyalen Parteigängern besetzt werden. Das wäre die Vollendung des von Trumps früherem Chefstrategen Steve Bannon 2016 vorgegebenen Ziels der Zerstörung des demokratischen Staats von innen. De facto würden damit die Grenzen gesprengt, die ein gefestigtes Institutionensystem extremistischen Regierungsbestrebungen setzt. In der Rhetorik der verschwörungsideologischen Neuen Rechten wird das als Kampf gegen den „Deep State“ markiert.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Und was bedeutet das jetzt im Detail?
Das „Project 2025“ bringt viele rechtspopulistische Talking Points der vergangenen Jahre wieder aufs Tableau – von der angeblichen Übergriffigkeit der Coronamaßnahmen bis zum Kampf für den Verbrennermotor. Sein radikaler Kern besteht aber in der Abschaffung etlicher Bundesinstitutionen, darunter die Bundespolizei FBI, das Heimatschutzministerium, das Bildungsministerium und das Handelsministerium. Die Mittel für das Justizministerium sollen drastisch gekürzt werden.
Damit gehen die Ideen der Autor*innen deutlich über Staats- und Regulierungsfeindlichkeit aller bisherigen republikanischen Regierungen hinaus. Schon nach der ersten Präsidentschaft Donald Trumps hatten einige Ministerien, in denen vier Jahre lang etliche Stellen durchaus absichtsvoll unbesetzt geblieben waren, Schwierigkeiten, ihre Funktionsfähigkeit wiederherzustellen. Würde „Project 2025“ umgesetzt, wäre das tatsächlich ein Zerstörungswerk, was so schnell nicht repariert werden könnte.
Wer sind die Köpfe hinter dem „Project 2025“?
Sichtbarster Kopf ist Kevin Roberts, der Chef der Heritage Foundation, der auch das Vorwort geschrieben hat. Roberts steht seit 2021 an der Spitze des konservativen Thinktanks. Er fordert eine „zweite Amerikanische Revolution, die unblutig bleiben wird, falls die Linke das zulässt“. Seine Gedanken trug er auch in einem in diesem Sommer veröffentlichten Buch unter dem Titel „Washington niederbrennen“ zusammen. Das Vorwort dazu steuerte J. D. Vance bei, Trumps Vizekandidat.
Weitere wichtige Figuren hinter dem „Project 2025“ sind Trumps ehemaliger Berater Stephen Miller und Paul Dans, der das „Project 2025“ bis Juli 2024 leitete. Dans war unter Trump für Personalentwicklung zuständig – die wichtigsten Ideen zur Ausbildung und Einstellung ideologisch gefestigter Trumpist*innen kommen von ihm.
Ist das jetzt offiziell Trumps Wahlprogramm?
Nein. Trumps eigenes Wahlprogramm trägt den Namen „Agenda 47“ und ist in großen Teilen auf seiner Website nachzulesen oder in Form von Videos anzuschauen. Auf das „Project 2025“ angesprochen, beteuert Trump stets, er wisse nichts davon, kenne die Autor*innen nicht und habe es nicht gelesen.
Nur Letzteres davon ist glaubwürdig – tatsächlich hält es niemand für möglich, dass sich Trump in eine 900-Seiten-Lektüre vertiefen könnte. Inhaltlich allerdings gibt es diverse Überschneidungen zwischen seinem eigenen Wahlprogramm und dem lediglich viel detaillierter ausformulierten „Project 2025“. Und die Heritage Foundation war schon bei Trumps erster Amtszeit politikberatend tätig und sah nach drei Trump-Jahren 64 Prozent ihrer Vorschläge umgesetzt. Die allerdings gingen damals längst nicht so weit wie das „Project 2025“.
Wie reagiert die US-amerikanische Öffentlichkeit?
Im Prinzip könnte es ein großer Pluspunkt für Trump sein, anders als 2016 diesmal vorbereitet anzutreten, mit detaillierten Vorstellungen samt Personaltableau. Aber seit dem ersten Bekanntwerden des „Project 2025“ spricht niemand so viel darüber wie die demokratischen Wahlkämpfer*innen. Schon Joe Biden, der bis Ende Juli noch der designierte Kandidat war, twitterte beständig die Aufforderung, sich mit den Inhalten des konservativen „Mandates for Leadership“ zu befassen.
Auch die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Kamala Harris, streut in nahezu jede Wahlkampfrede die Warnung vor „Project 2025“ ein – für sie eine Blaupause für die Zerstörung der US-amerikanischen Demokratie. Die Vorschläge von „Project 2025“, gepaart mit der immer wütenderen Rhetorik Trumps ergeben tatsächlich das Bild einer aufziehenden autoritären Herrschaft. Und wenn Trump schwadroniert, er wolle zur Not das Militär einsetzen, um „Amerikas Feinde im Inland“ zu bekämpfen, etwa so „linksradikale Wahnsinnige“ wie die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, oder den Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses, Adam Schiff, dann scheint jede Warnung berechtigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“