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Archiv-Artikel

Professoren rebellieren

Mehr Studis, bessere Lehre, Spitzen-Forschung – das soll das Ziel der Bremer Uni sein, sagt die Wissenschaftsbehörde. Weswegen nun auch deren Profs keinen Kürzungen mehr zustimmen wollen

von Christian Jakob

Wenige Tage vor der für Mittwoch anberaumten Uni-Vollversammlung zu den Kürzungsplänen von Wissenschaftssenator Willi Lemke (SPD) haben die Studierenden kräftige Unterstützung gewonnen. Auch die Professoren, die 12 von 22 Sitzen im Akademischen Senat (AS) innehaben, wollen sich nach Informationen der taz wollen nun weigern, Beschlüsse zum so genannten Hochschulentwicklungsplan V (HEP V) zu fassen. Damit steht die Zustimmung des höchsten Gremiums der Uni zu den von Lenke verlangten Kürzungen in den Sternen – und Uni-Rektor Wilfried Müller, der die „selbstbestimmten“ Einschnitte bis zuletzt verteidigt hatte, auf einsamem Posten.

Im HEP V soll die Hochschule ihre Etatplanungen bis 2015 regeln. Die Sparvorgaben der Behörde sehen bis dahin die Streichung jeder vierten Professur vor. In den letzten Tagen ging der Uni allerdings die Neufassung des „Wissenschaftsplan 2010“ der Landesregierung zu, auch das ein Papier aus dem Hause Lemke. Darin wird von der Uni eine Erhöhung der Studierendenzahlen, Verbesserung der Lehrqualität und sogar die Weiterentwicklung zur international wahrgenommenen forschungsstarken Universität erwartet – ungeachtet der Kürzungen.

Massiv kürzen und gleichzeitig bessere Leistungen verlangen – für Informatik-Professor und AS-Mitglied Jürgen Friedrich, ist das eine „absolute Widersprüchlichkeit, die so nicht nachvollziehbar ist“. Die Paradoxie „hätte vom Akademischen Senat erkannt werden müssen“, sagt er. Dies war nicht der Fall. Aufgebrachte Mitglieder des AS haben daher nun eine eigene Beschlussvorlage zum Thema formuliert. Von einem „Akt der Zerstörung“ ist darin die Rede, zu dem das Land Bremen „keine Zustimmung erwarten“ könne. Laut Friedrich hat der Moratoriums-Antrag beste Aussichten, eine Mehrheit im AS zu finden. Erst wenn die finanzielle Basis der Universität gesichert sei, wolle man sich wieder „konzeptionell mit dem HEP V beschäftigen“.

In der Vergangenheit hatten sich die Professoren und der Akademische Senat weitaus kooperativer gezeigt. Eine auf Betreiben von Uni-Rektor Wilfried Müller eingesetzte Kommission hatte konkrete Vorschläge formuliert, welche Lehrstühle wegfallen sollten, um Lemkes Sparvorgaben genüge zu tun. Der AStA kritisierte dies als „Selbstverstümmelung“. Vor einer Woche blockierten Studierende den Senatssaal der Uni, um eine Abstimmung des Akademischen Senats über den Kommissions-Vorschlag zu verhindern. Rektor Müller, der im Sommer wiedergewählt werden will, verteidigte die Umsetzung der Kürzungen damals als „eigenverantwortliche Gestaltung“, die unabdingbar sei, um die „akademische Selbstverwaltung“ der Uni zu erhalten.

„Normalerweise winken die Profs im Akademischen Senat durch, was das Rektorat vorgibt“, sagt Franziska Rauh, ehemalige studentische Vertreterin im AS. Dieses Mal könnte es anders werden: Weigern sich die Professoren, über Kürzungen abzustimmen, unterliefe das die Strategie der „eigenverantwortlichen Gestaltung“ Müllers. „In der Tat gibt es gewisse Differenzen“, sagt Friedrich mit Blick auf den Rektor. Die neue Renitenz des Uni-Gremiums erklärt der Informatiker mit „Lernprozessen“ der jüngsten Vergangenheit. Und: „Jetzt ist Bewegung in die Sache gekommen.“

Die Bewegung besteht unter anderem in der Vollversammlung aller Uni-Angehörigen am Mittwoch, die der AStA Müller während der Blockade vor zwei Wochen abgerungen hat. Auf der Versammlung solle geprüft werden „ob ein gemeinsamer Protest der Universität gegen die staatliche Sparpolitik möglich ist und wie ein gemeinsames Vorgehen erfolgen kann“, schreibt das Rektorat in der Einladung zu dem Plenum.

Der AStA formulierte bereits erste Kriterien: „Wir wollen keine Gemeinsamkeit, die sich auf die Optimierung eines Wirtschaftsfaktors reduziert“, heißt es in seinem Aufruf. Jeder Protest müsse vor allem darauf zielen, Raum für „Selbstentfaltung, Kritik und Reflexion“ zu schaffen, damit die Uni „zu einer fortschrittlichen gesellschaftlichen Entwicklung beitragen“ könne. Wissenschaftspolitik als reine Wirtschaftsförderung werde diesem Anspruch nicht gerecht: „Geld macht bekanntlich nicht glücklich.“