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ProfessorInnen unter Prüfungsstreß

■ An der FU begann am Wochenanfang eine Fragebogen-Aktion zur Bewertung der ProfessorInnen

Dahlem. An der Freien Universität (FU) werden die Noten andersherum verteilt: Studierende bewerten seit Wochenanfang auf Fragebögen, wie geschickt die ProfessorInnen sich bei der Wissensvermittlung anstellen. FU-Präsident Johann W. Gerlach erhofft sich, daß durch die Befragung ein Prozeß in Gang kommt. »Die Lehre muß besser werden«, und zwar im Dialog zwischen Studierenden und Profs. Die »früher verpönte« Vorlesungskritik werde nun anerkannt. Die in den drei Fachbereichen Jura, Biologie und Soziologie gestartete Umfrage »setzt das Einverständnis der verantwortlichen Lehrenden voraus«. So heißt es in den »Regelungen für das Pilotprojekt«. Die StudentInnen erhalten die Fragebögen in den Seminaren, Übungen und Vorlesungen. Sie sollen dann anonym die eben besuchte Veranstaltung einschätzen. Die Auswertung wird später zentral durch die Universität erfolgen. Die ProfessorInnen füllen gesonderte Fragebögen aus.

Die Ergebnisse der Befragung sollen den »betroffenen Lehrenden und dem Dekan des Bereichs umgehend übermittelt« werden. Über Konsequenzen entscheiden der Rat und die Ausbildungskommission des jeweiligen Fachbereichs in »nichtöffentlicher Sitzung«. Dies sei aus Datenschutzgründen nötig, sagte FU- Präsident Gerlach.

Johann Gerlach legt das Schwergewicht der Befragung weniger auf deren Ergebnisse. Wichtiger sei der Effekt der Befragungssituation an sich. Es solle das Verständnis der ProfessorInnen für die Bedeutung der Lehre geweckt werden. Im Dialog zwischen ihnen und den Studis könne ein »positives Feuer« für die Lehre entzündet werden. Die Studierenden könnten die Bögen jederzeit bei der Arbeitsgruppe »Projekt Pro Lehre« erhalten, meinte Gerlach.

Solche Konflikte können bei der dieser Woche gestarteten Aktion kaum vorkommen. Im Fachbereich Biologie teilen die ProfessorInnen die Bögen selbst aus — und sammeln sie auch wieder ein. »Sicherlich wäre ein bißchen Anonymität besser«, sagte dazu Verwaltungsleiter Dieter Lange. Bei den Rechtswissenschaftlern wurden zwei »Beauftragte zur Durchführung der Evaluation« benannt. Die beiden Studenten (5. Semester) wollen auf keinen Fall »die Professoren mit den Fragebögen überfallen«, sagten sie. Daher würden sie bei ihnen anrufen und würden fragen, ob bei der Evaluation Hilfe vonnöten sei.

Der Dekan des Fachbereichs, Christian Pestalozza, sagte, es solle vermieden werden, daß sich die Professoren »unter Druck« gesetzt fühlten. Ob nicht eher die Studierenden durch die Befragungssituation — daß keine neutralen Untersuchenden, sondern die Profs selbst die Umfrage durchführten — unter Druck gesetzt würden? Pestalozza sagte, »das ist eine Idee, da sind wir noch gar nicht drauf gekommen«, und ließ die Bögen in seinem Kurs von den studentischen »Beauftragten« einsammeln.

Kritik an der vorgesehenen »nichtöffentlichen Diskussion« der Ergebnisse in Ausbildungskommission und Fachbereichsrat übte in der vergangenen Woche Peter Grottian. »Da sind die ganzen Profs und gerade mal zwei Studierende mit drin, wenn die überhaupt da sind.« Der Professor am Fachbereich für Politische Wissenschaft forderte, daß die Kritik an den Lehrenden »individualisiert« werden müsse. Sonst tue sich da gar nichts. Datenschutz könne nicht wichtiger als Artikel fünf des Grundgesetzes gewertet werden. Die darin festgeschriebene Freiheit der Forschung und Lehre gilt auch für die Studierenden.

Peter Grottian hatte an seinem Fachbereich, dem Otto-Suhr-Institut, eine Bewertung der Lehre unter Nennung der DozentInnen veröffentlicht. (taz berichtete) Daraufhin hatten diese Grottian »methodische Fehler« vorgeworfen. FU-Präsident Gerlach hatte später die Veröffentlichung Grottians »Guide-Dozi« wegen Verstoßes gegen den Datenschutz gestoppt. Christian Füller

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