: Probleme ungelöst
Crash Drei Grüne fordern eine Wendein der Finanzpolitik
Ein ehrgeiziges Projekt: Auf nur 172 kleinen Seiten wollen die drei grünen Finanzexperten Sven Giegold, Gerhard Schick und Udo Philipp erklären, wie „der nächste Crash verhindert“ werden kann. Vom deutschen Exportüberschuss bis zur Riesterrente wird kein Thema ausgelassen, und diese inhaltliche Dichte dürfte Laien manchmal überfordern. Trotzdem lohnt das Buch, auch weil es Aspekte berührt, die in der öffentlichen Debatte meist ausgespart werden.
Ein Beispiel: Privatbanken müssen inzwischen offenlegen, was ihre Vorstände und Aufsichtsräte im Jahr verdienen. Doch bei den Sparkassen und bei den Landesbanken herrscht noch immer Geheimniskrämerei – und das, obwohl die Bürger die Eigentümer sind. Sie hätten ein Recht zu erfahren, was die Leitungsriege erhält. Auch das Thema Lebensversicherungen taucht in der öffentlichen Diskussion fast nie auf. Dieses kollektive Schweigen ist erstaunlich, denn fast jeder Erwachsene besitzt mindestens einen Vertrag. Zudem ist das Geschäftsmodell der Lebensversicherungen extrem riskant, wie die drei grünen Finanzexperten herausarbeiten.
So hat ein Stressszenario der Bundesbank ergeben, dass etwa 80 Prozent aller Lebensversicherer in die Insolvenz schlittern könnten, falls die Zinsen weiterhin niedrig bleiben. Die Konzerne müssten also ihre Gewinne einbehalten, um das Eigenkapital zu stärken und einen Verlustpuffer aufzubauen. Doch an diesen guten Ratschlag halten sich die Lebensversicherer nicht: Sie schütten ihre Gewinne weiterhin an die Aktionäre aus.
Vor allem die großen Versicherungskonzerne rechnen eiskalt damit, dass der Staat sie bei einer Pleite retten würde. Dank dieser indirekten Subvention erzielt die Allianz eine Eigenkapitalrendite von über 30 Prozent, während ihre Kunden nur einen Garantiezins von 1,25 Prozent erhalten. Selbst dieser Mickerwert ist noch geschönt, denn bei vielen Versicherungen sind die versteckten Kosten so hoch, dass die echte Rendite nur 0,25 Prozent beträgt.
Seit der letzten Finanzkrise sind 34.019 Seiten an neuen Vorschriften entstanden. Doch gebracht hat diese Papierflut wenig, wie die drei Grünen zeigen. Der nächste Crash kommt bestimmt. Ulrike Herrmann
Sven Giegold, Udo Philipp, Gerhard Schick: „Finanzwende“. Wagenbach Verlag, Berlin 2016, 172 S., 12 Euro
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen