piwik no script img

Probleme mit dem Body...

■ ...hinderten den Tänzer João Fiadeiro im Schauspielhaus am Tanz. Sein ebenfalls kaum tanzender Kollege Marc Rees hingegen versuchte sich vergeblich als Komödiant

Der Portugiese João Fiadeiro ist Tänzer. Doch davon war auf der Bühne des Bremer Schauspielhauses nur wenig zu sehen. Fiadeiros dreiviertelstündiges „Self(ish) Portrait“ drängte tänzerische Bewegungen völlig in den Hintergrund. Zumeist sprach Fiadeiro: mit sich, dem Publikum und ab und an mit jener Tonbandstimme, die immer und immer wieder den einen kurzen Satz von sich gab: „This is my body“. Fiadeiros Choreografie kreiste um nichts anderes als den Sinngehalt dieser Formulierung, versuchte, der Aussage ihre vordergründige Banalität zu rauben. Denn der Leib ist im Zeitalter des radikalen Selbstentwurfs und rasant fortschreitender gentechnologischer Manipulationsmöglichkeiten auch nicht mehr das selbstverständlich Naturgegebene, wie wir es einst in naiver Unschuld im Biologieunterricht lernten. Und glaubt man heiß diskutierten Philosophinnen wie der US-Amerikanerin Judith Butler, dann ist selbst der Unterschied zwischen Männlein und Weiblein im weitaus stärkeren Maße das Resultat sozialer Zuschreibungen, als es der spontane Blick in die eigene Hose zunächst vermuten ließe.

Das aus diesen Verunsicherungen resultierende Gefühl ist zunächst nicht mehr als ein lapidares „I feel strange today“. Doch Fiadeiros früh geäußerte Befindlichkeit verwandelte sich im Lauf des Abends in eine veritable existentielle Krise. Ein Leben ohne feste Koordinaten ist, so zeigt er eindrücklich, eine anstrengende Hatz zwischen unscharfen Polen, ist das permanente Selbstausprobieren als Kind, Gigolo, Paranoider und Clown, ist die unstetige Existenz eines Getriebenen, dem jede Geschmeidigkeit verloren gegangen ist und der zuckend und stammelnd auf der Bühne und im ZuschauerInnenraum nach Halt sucht.

Freilich – auch das zeigte der Abend – ist diese radikale Infragestellung des Leibes für einen Tänzer im Grunde nicht mehr thematisierbar. Ohne „body“ ist ein Tänzer eben nicht mehr Tänzer, und Fiadeiros Versuch, den Körper konzeptionell in eine theoretische philosophische Debatte einzubinden, führte sichtbar jenseits der Grenzen machbaren Tanztheaters.

Kurz vor Ende seiner nichtsdestotrotz spannenden Performance deutete João Fiadeiro dann auch an, dass seiner Kunst die unhinterfragte Evidenz, Leib-haftig zu sein, zugrunde liegen muss. Die Loslösung vom Zweifel – symbolisiert durch die größtmögliche räumliche Trennung von jenem monton plappernden Tonbandgerät – ermöglichte es Fiadeiro zumindest für einen kurzen Moment, seinen eigenen, bis dahin vollständig verhüllten Körper zu entdecken und seine nackte Brust und sein entblößtes Geschlecht selbstbewusst zu zeigen.

Eine trostlose Fortsetzung fand „Self(ish) Portrait“ in dem zweiten Solo des Abends, Marc Rees' „Caligula Disco“. Der Waliser versuchte sich in einer komödiantisch angehauchten autobiografischen Skizze, die den Werdegang eines schwulen Tänzers anhand von Videosequenzen und Erzählungen aus Kindheit und Jugend zu zeigen suchte. Auch Rees reduzierte die tänzerischen Elemente zugunsten der Sprache, berichtete in englischer Sprache Anekdoten über seine Familie oder sein Jugendidol Burt Reynolds und verband dies alles eher unmotiviert mit Bewegungssequenzen. Das alles wirkte mäßig originell, zumal der Rees'sche Witz aus zahllosen Filmen des New British Cinema bereits sattsam vertraut war. Ein belangloser Abschluss eines fulminant gestarteten Abends. Franco Zotta

Die nächste Aufführung des Festivals „Tanz Bremen“: Die „Compagnie Rubato“ gastiert heute um 20 Uhr im Schauspielhaus. Morgen ist ebendort bereits ab 19 Uhr die Company Howard Katz / Fireheart zu sehen. Karten und Infos gibt es unter Tel. 35 36 37 oder im Internet unter www.theaterbremen.com

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen