: Probezeit für PolitikerInnen
betr.: „Gut für alle, außer für die meisten“, taz vom 4. 7. 06
Unser aller Kanzlerin Angela Merkel hat ein Faible für die Deregulierung des Arbeitsmarktes. Lieblingsprojekt der schwarzen Helena: die Ausweitung der Probezeit für Arbeitnehmer auf zwei Jahre. Hat auf einem völlig deregulierten Arbeitsmarkt, mit fünf Millionen Arbeitslosen, natürlich keinen Sinn. Sinn hat es dagegen für Politiker eine Probezeit einzuführen. Das gäbe dem geplagten Bürger die Möglichkeit, offensichtlich unfähige Politiker von heut auf morgen aus dem Amt zu jagen. Denn absolute Unfähigkeit scheint die Vorrausetzung für das Wirken der Großkoalitionäre zu sein.
Jüngstes Beispiel: der „Kompromiss“ in der Gesundheitsreform. Genauso wenig der große Wurf wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent. Gift für die Binnennachfrage. Statt einer wirklich mutigen Gesundheitsreform hin zur solidarischen Bürgerversicherung nun ein fauler Kompromiss mit steigenden Beiträgen, sinkenden Leistungen und der völlig ungeklärten Frage, wo denn die Steuermilliarden für die Mitversicherung der Kinder herkommen sollen. Immerhin sollen ja im nächsten Jahr auch noch die Unternehmenssteuern um neun Prozent gesenkt werden. Man will ja den „Bedürftigen“, den ach so armen Unternehmern, helfen. Nach dem Credo der Neoliberalen führt das zu mehr Wachstum, mehr Beschäftigung und damit automatisch zu steigenden Steuereinnahmen. Allerdings hat dieses Rezept seit 30 Jahren nicht funktioniert, warum sollte das gerade jetzt anders sein. Aber der Glaube und die Hoffnung sterben zuletzt.
Manche glauben ja auch noch an den Osterhasen und den Weihnachtsmann. Die privaten Krankenkassen bleiben natürlich wieder mal verschont, genauso wie die Pharmaindustrie und die Kassenärztliche Vereinigung, dafür schröpft man wieder mal die Arbeitnehmer und Kranken. Aber die haben ja auch keine Lobby, der man gefällig sein muss. „Das ist ein guter Tag für Versicherte“, soll Angela Merkel gestern gesagt haben. „Heute ist ein schöner Tag für die Arbeitslosen“, sagte Ex-VW-Manager Peter Hartz bei der Vorstellung seiner unseligen Hartz-„Reform“. Was daraus wurde, ist bekannt.
HANS-JOACHIM VIEHL, Frankfurt am Main
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