Pro-Hamas-Proteste in der Türkei: „Tod den Zionisten“
Auf Geheiß des türkischen Präsidenten Erdoğan feiern in der Türkei Zehntausende den getöteten Hamas-Chef Ismail Haniyeh und protestieren gegen Israel.
Auf dem schönsten Areal Istanbuls, dem Platz vor der Hagia Sophia, der in einen Park hin zur Blauen Moschee übergeht, hat sich am Samstagabend eine schier unüberschaubare Menge von DemonstrantInnen versammelt, die ihren Zorn über die Tötung des Hamas-Chefs Ismail Haniyeh und ihre Unterstützung für Palästina zum Ausdruck bringen wollen.
Obwohl der Ruf „Allahu Akbar!“ sich abwechselt mit der Verwünschung Israels und der Forderung „Tod den Zionisten“, hat die Menge doch wenig Bedrohliches. Es sind nicht so sehr zornige, fanatische junge Männer, die das Bild bestimmen, sondern Familien und Frauen mit Kindern, die ihren Sommerabend vor der Hagia Sophia verbringen. Die Rufe sind Routine, wenngleich die Empörung über den „Mord an Haniyeh“ wie eine Nachbarin sagt, echt ist. „Wie viele Kinder in Gaza will Netanjahu noch töten?“, steht auf dem selbst gemalten Plakat eines jungen Mädchens.
Das Entsetzen über die Bilder aus Gaza ist der Resonanzboden, auf dem Präsident Recep Tayyip Erdoğan seit der Nachricht über den Tod Haniyehs in Teheran eine Politshow ohnegleichen aufbaut. Erdoğan drohte Israel mit militärischen Maßnahmen, er erklärte den Freitag zu einem nationalen Trauertag für Haniyeh, alle Fahnen wurden auf Halbmast gesetzt, auch die der türkischen Botschaften weltweit, darunter auch in Tel Aviv, was die israelische Regierung als Provokation empfand.
Hamas-Vertreter und Erdoğans Sohn als Hauptredner
Weil Instagram einige Posts zur Verherrlichung von Ismail Haniyeh sperrte, ließ Erdoğan gleich ganz Instagram in der Türkei sperren.
Die Trauerveranstaltungen am Freitag in allen großen Moscheen des Landes wurden angeführt von der Veranstaltung in der Hagia Sophia, wo Ali Erbas, der Chef der mächtigen Religionsbehörde Diyanet, mit einem goldenen Schwert in der Hand eine scharfe Predigt hielt. Für Erdoğan, seine AKP und ihre Anhänger herrscht seit der Tötung Haniyehs eine Art Ausnahmezustand. Gespannt wartet das Land, wie Iran und seine Verbündeten reagieren werden.
In fast allen türkischen Nachrichtensendern gibt es praktisch kein anderes Thema mehr. Im türkischen CNN wurde die Tötung Haniyehs mit dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger Prinz Ferdinand verglichen, das letztlich zum Ersten Weltkrieg führte. Auch die Veranstaltungen und Demonstrationen am Samstagabend sollten offenbar das Feuer weiter schüren.
Hauptredner nach der Lesung aus dem Koran durch den Vorbeter der Hagia Sophia waren ein Vertreter der Hamas, Talal Nassar, und der Sohn des Präsidenten, Bilal Erdoğan. Talal Nassar lobte vor allem den Präsidenten. „Wo jeder uns als Terroristen bezeichnet, hat der mutige Türke Erdoğan uns unterstützt“, rief er ins Mikro. „Wir sind die Widerstandsbewegung des palästinensischen Volkes.“
Bilal Erdoğan, der offiziell als Vorsitzender eines Vereins zur Pflege osmanischen Brauchtums auftrat, pries seinen Vater und die unerschütterliche Unterstützung Palästinas durch „das türkische Volk“.
Doch „das Volk“ ist auch an diesem Abend durchaus zwiegespalten. Während die Anhänger Erdoğans zur Hagia Sophia pilgerten, interessierte sich die andere Hälfte der Istanbuler hauptsächlich für den Fußball-Supercup, der ebenfalls an diesem Abend in der Stadt ausgetragen wurde.
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