Privatsphäre bei Facebook: Kritik an neuem Datenschutz
"Einfacher und besser" sollen die Möglichkeiten künftig sein, mit denen man seine Privatsphäre in dem sozialen Netz schützen kann. Kritiker sehen eher das Gegenteil.
Die Sache war so wichtig, dass der 25jährige Firmengründer Mark Zuckerberg höchst persönlich in einer Mail an die Nutzer darüber informierte: Das soziale Netzwerk Facebook mit seinen über 300 Millionen Nutzern weltweit hat seit dieser Woche neue Einstellungsmöglichkeiten zum Schutz der Privatsphäre. "Wir haben unsere Datenschutz-Seite vereinfacht", begrüßt derzeit eine Infobox die User beim Einloggen, "wir wollen unseren Nutzern mehr Kontrolle über ihre Daten geben, ihnen aber gleichzeitig helfen, mit anderen in Kontakt zu bleiben". Das neue Konzept umfasse unter anderem die Möglichkeit, bei jedem neuen Stück Information, das ein Mitglied ins Netz stellt - sei es nun eine Statusbotschaft, ein Bild oder eine andere Facebook-Aktivität - entscheiden zu können, was der Rest der Welt sehen darf und was nicht.
Tatsächlich erfüllt Facebook damit einen von Nutzern lange gehegten Wunsch - selbst wenn es nervig sein könnte, bei jeder einzelnen sozialen Darmbewegung bestimmen zu müssen, wer sie lesen kann. "Eine Twitter-Nachricht über das aktuell eingenommene Mittagessen kann narzisstisch und unsinnig sein. Aber sie ist definitiv weniger narzisstisch und unsinnig, als entscheiden zu müssen, wer genau den interessanten Eintrag über das Mittagessen zu sehen bekommt", kommentierte das Silicon-Valley-Klatschblog "Valleywag".
Zudem scheint Facebook mit dem neuen Datenschutz an einer Stelle auch einen Abbau an mehreren anderen voranzutreiben. So wurde erst kürzlich das Ende der "Netzwerke"-Struktur beschlossen, die beispielsweise dafür sorgte, dass Menschen aus einer Firma ihre Daten nur intern verteilen konnten. Die sei nicht mehr zeitgemäß und stamme aus jenen Jahren, als Facebook sich an Studenten mit College-Freundeskreises gewandt habe, hieß es zur Begründung. Faktisch heißt das, dass künftig alle Menschen in einem Netz sind, was eine weitere Verbreitung der Daten bedingt, als es bislang der Fall war.
Und dann wären da noch die Veränderungen an den Standardeinstellungen bei Facebook. So sind künftig Dinge wie die Profilseite ("Über mich"), Familienstand und Beziehungen, Arbeitsstelle und Ausbildung sowie eingestellte Postings per default "von allen" zu sehen. Dazu gehört auch das persönliche Netzwerk sowie Fanseiten, die ein Nutzer mag. Die Freundesliste ist besonders kitzlig: So ist es künftig möglich, von außen Beziehungsgeflechte zu erkennen. So beschrieb eine Bloggerin, wie ihr einst unzugängliches Freundesnetzwerk offen für alle lag. Verhindern kann man das nur teilweise, indem man die Facebook-Suchfunktion für die eigene Person auf restriktiv schaltet.
"Reuters"-Finanzkolumnist Felix Salmon fand schließlich einen Trick, wie er die unfreiwillige Datenpreisgabe abdrehen konnte: Es gibt einen Knopf, mit dem die gesamte Freundesliste auf der Profilseite unterdrückt werden kann. Allerdings reicht es aus, dass man Freund eines Freundes der auszuspionierenden Person ist, um wieder alles sichtbar zu machen.
Kein Wunder, dass Datenschutzexperten Probleme in der neuen Politik sehen. Die Netzbürgerrechtsorganisation "EFF" sagte, es sei zwar lobenswert, dass Facebook nun pro neuem Eintrag Privatsphäreneinstellungen erlaube. Allerdings seien die empfohlenen Einstellungen, die Facebook vorwählt, keineswegs zu empfehlen. Das viel gelesene IT-Blog "TechCrunch" kommentierte, Facebook versuche offenbar, viel mehr Nutzer dazu zu bringen, ihre Inhalte mit der Welt zu teilen. "Das hat riesige Auswirkungen auf die Zukunft des Dienstes."
Tatsächlich geht der Trend auch bei anderen Angeboten zu mehr denn weniger Offenheit. So twittern die meisten Nutzer völlig frei und sichtbar für alle und ihre Nachrichten werden seit kurzem auch von großen Suchmaschinen erfasst. Die Öffnung ins Web bringt Facebook als Firma viel: Je mehr interessante Infos vorhanden sind, desto mehr wird auch Werbung angeklickt.
Die EFF kritisierte besonders scharf, dass Informationen, die früher von den Nutzern kontrolliert werden konnten, ihnen künftig aus den Händen genommen würden. So seien Namen und Profilbild, Stadt, Geschlecht und Netzwerke nun "öffentlich verfügbare Informationen". Ob das den Nutzern gefällt, bleibt abzuwarten. Die hatten bereits bei früheren Änderungen der Geschäftsbedingungen mit Online-Kampagnen teils erfolgreich protestiert.
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