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Sex, Mode, VerzweiflungPrivate Images

■ Zu den Fotos von Warhols Factory und den Zeichnungen von Marc Brandenburg

1962 mietete Andy Warhol einen Speicher in der New Yorker Midtown. Es war der Beginn der „Silver Factory“, in der neben den ersten „Car-Crash“- und „Electric-Chair“-Paintings eine Reihe von Filmen entstanden. Dem düsteren Pop-Art- Image dieser Jahre angemessen, lebte Warhol mit einem Hofstaat aus Beatniks, Transvestiten und Velvet-Underground- Musikern zusammen – was wiederum eine Vielzahl von Fotografen anzog, die den glamourous lifestyle dokumentierten. Für Warhol war der kommunenhafte Treffpunkt vor allem eine Produktionsstätte: Immerhin wurden zwischen 1962 und 1964 über 2.000 Bilder hergestellt. Zugleich war die Community auch wichtigste Inspirationsquelle, Klaus Theweleit hat das Zusammenspiel als modernen Vampirismus interpretiert. Seit dem Wochenende wird das Leben in der Factory in einer Ausstellung des Kunstmuseum Wolfsburg rekonstruiert (siehe taz von gestern).

In den Zeichnungen des 1965 geborenen Marc Brandenburg spiegelt sich ein dunkler Schein dessen wider, was Warhol losgetreten hat: Der Alltag ist ein Konstrukt aus Sex, Mode und Verzweiflung. Beide setzen auf die Dynamik und Gestaltung der sozialen Beziehungen – vom Gruppenbild der Wahlfamilie bis zum intimen Portrait. Zugleich ergänzen sich Warhols unendliche Wiederholungen und Brandenburgs zeichnerisches Sampling, das auf Fotos als Skizze und Material zurückgeht. Während Warhol allerdings von einem Schwarm Halbprominenter umkreist wurde, fällt Brandenburgs Figurentheater in isolierte Einzelpositionen auseinander. Ähnlich den flüchtigen Situationen, wie sie Wolfgang Tilmans festhält, überlappen sich bei ihm private Images mit dem Pop-Appeal aus Bars und Clubs.

Trotzdem feiern die Zeichnungen nicht die eigene Biographie ab. Anstelle einer tagebuchartigen Spurensuche lebt die Arbeit vielmehr vom Augenblickhaften der Abbildungen. Zuletzt waren Brandenburgs Zeichnungen in der Londoner Cubitt Gallery zu sehen. Harald Fricke

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