: Private Bewacher in die U-Bahn
■ Wenn die U-Bahn erst einmal sauberer ist, dann fühlen sich die BerlinerInnen darin auch wieder sicherer - glaubt die BVG und will nun das Putzen privatisieren / Die neue psycho-aktive Sauberkeit soll dann von privaten Putzfirmen betreut werden
West-Berlin. Die BVG will gegen die Ängste ihrer U-Bahn -Fahrgäste ankämpfen. Das Rezept: mehr Sicherheit durch Sauberkeit - und dann die Sauberkeit bewachen. Seit gestern abend werden BVG-eigene Aufpasser, sogenannte MODs (Mitarbeiter im Ordnungsdienst) und Berliner Polizisten auf U-Bahn-Streife zusätzlich noch von privaten - unbewaffneten
-Wachleuten unterstützt. Im Idealfall zu zweit - ein MOD und ein Polizist oder ein MOD und ein Wachmann - sorgen sie dann für die Reinhaltung von Zug und Bahnhof.
Schmutzige Bahnhöfe und Züge, so BVG-Direktor Konrad Lorenzen gestern ganz psychologisch, lösen eine „subjektive Unsicherheit“ aus. Deshalb wird ab heute verstärkt geputzt. Um dem Dreck Paroli zu bieten, plant der Verkehrsbetrieb zudem ein neues Putzkonzept. Kurzfristig werden die durch Krankheit und hohe Fluktuation ausgedünnten Reinigungskolonnen der BVG konzentrierter eingesetzt, um dann gründlicher putzen zu können. Wo daraufhin Putzleute fehlen, werden künftig Fremdfirmen beauftragt. Auf den Bahnhöfen stellen die BVGler verstärkt Papierkörbe auf und trotz Rauchverbot - Sandaschenbecher. Diese Kapitulation vor den Rauchern ist wohl nicht zuletzt eine Reaktion auf den Kabelbrand vom letzten Wochenende. Eine brennende Zigarettenkippe hatte einen Brand verursacht, der 800 Kabel ruinierte und damit die Linie 7 für eineinhalb Tage streckenweise lahmlegte.
Langfristig sollen die insgesamt 156 U- und S-Bahnhöfe in zehn Sektoren aufgeteilt werden. Jeder Sektor wird dann nach einer öffentlichen Ausschreibung an eine private Firma vergeben. „Damit schaffen wir Wettbewerb“, so Lorenzen, und ganz nebenbei verschwinden Arbeitsplätze. Mit der Vergabe der Sektoren sollen nämlich die eigenen Reinigungsfachleute abgebaut werden. „Entlassen wollen und können wir nicht“, sagt Lorenzen - aber neue Arbeitskräfte einstellen auch nicht. Sozialverträglicher Personalabbau durch Fluktuation nennt sich so etwas. Ein Rest der Putzabteilung bleibt aber doch erhalten - für Notfälle und um die Abrechnungen der Privaten überprüfen zu können. Die erste Firma wird ihren Sektor Ende 1990 übernehmen.
Aber nicht nur die Bahnhöfe, auch die Züge sollen sauberer sein. „Schmierereien“ werden mit Hilfe von „Wundermitteln“ beseitigt. Das Pilotprojekt mit einem geheimnisvollen Reiniger - dessen Zusammensetzung die BVGler nicht verraten wollen - startet ebenfalls heute, und zwar an den Zügen der Linie 1, die laut Lorenzen „besonders anfällig sind“.
Die Kosten für die Wachleute will die BVG durch Umfinanzierungsmaßnahmen decken: Wo weniger geputzt wird, bleibt mehr Geld für Aufpasser. Übrigens erhofft sich Lorenzen, daß bei der Schaffung einer „subjektiven Sicherheit“ auch etwas „objektive Sicherheit“ herauskommt. Uniformen im Erscheinungsbild sollen auch Taschendiebe, unerlaubt Musizierende und Bettelnde vertreiben. Diese „Belästigungskriminalität“ (Lorenzen) sei gegenüber dem Vorjahr um 40 Prozent gestiegen. Trotzdem hält der Verkehrsdirektor seine Bahnen für wesentlich ungefährlicher als die Straßen. Ob allerdings wirklich soviel häufiger Uniformen zu sehen sind als bisher, ist nicht ganz klar. Daß die neuen Wachleute immer brav ihre Uniformen anziehen, wurde jedenfalls nicht ausdrücklich bestätigt. Und wie viele es werden sollen, mochte man zudem partout nicht verraten.
Christel Blanke
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