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Preußen war weniger willkürlich -betr.: "Fürsorgliche Belagerung", taz vom 3.8.96

Betr.: „Fürsorgliche Belagerung“, taz vom 3.8.

Das Polizeikonzept fürs Wochenende hat Innensenator Borttscheller (CDU) von seinem niedersächsischen Amtskollegen Glogowski (SPD) abgeguckt. Und der ließ sich offenbar von den geschichtlichen Erfahrungen seiner Partei inspirieren: Paragraph 28 des bismarckschen Sozialistengesetzes formulierte einen „Kleinen Belagerungszustand“. Wenn dieser für eine Stadt oder einen Bezirk ausgerufen war, konnten sozialdemokratische Funktionäre ausgewiesen werden. Auch wenn jemand aufgrund des Sozialistengesetzes verurteilt worden war, konnten die Landespolizeibehörden eine Ausweisung anordnen (Paragraph 22).

Das Preußen des Jahres 1878 war ein autoritärer Obrigkeitsstaat. Die Polizeitaktik hat sich weiterentwickelt: zu Bismarcks Zeiten mußte man SPD-Funktionär oder wegen sozialdemokratischer Umtriebe verurteilt worden sein, um ausgewiesen werden zu können; am Wochenende reichte das Aussehen für einen Platzverweis. In Hannover erhielt ein einheimischer Punk ein Aufenthaltsverbot für die gesamte Nordstadt mit Ausnahme des Hauses, in dem er wohnte. Diese Form des Hausarrestes kenne ich noch aus meiner Schulzeit auf dem Dorf, ausgesprochen vom Lehrer für ungebührliches Verhalten in der Kirche.

Die polizeiliche Besetzung zweier norddeutscher Großstädte und ministeriell angeordnete Freiheitsberaubung und Überland-Verschickung von Menschen mit grünen Haaren ist keine zukunftsweisende Politik. In einem „Europa ohne Grenzen“ (Politikerslang) wirkt sowas anachronistisch. Würde man so bei Bundesligaspielen vorgehen – Werder könnte dichtmachen. Walter Ruffler, ehem. MdBB der Grünen

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