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Prestigesucht

Betr.: „Den Stoff gibts auf Rezept“, taz hamburg vom 14. Januar 2000

Was stimmt denn nun: Erst vor wenigen Tagen war in der Presse zu lesen, dass das Modellprojekt der kontrollierten Heroinabgabe nach Aussage des Senats auf eine Anfrage in der Bürgerschaft hin 32,5 Mio. Mark kostet, nämlich 29 Mio. für den laufenden Betrieb und 3,5 Mio. für einmalige Investitionen: die 2,5 Mio. Differenz zu den „runden 30 Mio.“ in der taz sind auch für die Drogenhilfe keine Peanuts.

Und auch die Behauptung der BAGS, dass das Geld für das Projekt „nicht bei anderen Drogenprojekten eingespart werden soll“ – die taz schreibt in ihrer Überschrift erstaunlicherweise sogar, dass das Fakt ist –, stimmt bereits für dieses Jahr nicht, denn mindestens 3,5 Mio. Mark sollen aus sog. Restmitteln der vergangenen Jahre stammen, also aus Geldern, die die Bürgerschaft eigentlich für andere Drogenhilfemaßnahmen bewilligt hatte, die aber von der Behörde so nicht an die Träger weitergegeben, sondern vermutlich teilweise bewusst für das Heroinprojekt zurückgehalten wurden. Und warten wir mal die nächsten Jahre ab, woher und aus welchen an- bzw. eingesparten Resten die Mio. für das Heroinprojekt dann kommen.

Die kontrollierte Heroinabgabe ist sicher sinnvoll und wahrscheinlich bedarf es wegen der vielen Bürokraten und Glaubenskrieger in diesem Land zunächst auch eines Modellversuchs – quasi als Alibi. Warum aber muss dieses „prestigeträchtige Projekt“, wie es der BAGS-Vertreter zutreffend und entlarvend zugleich gekennzeichnet hat, dann so voluminös und damit auch so teuer sein, wo doch sonst an allen Ecken und Enden gerade auch im sozialen Hilfesystem gespart wird und Projekte ihre Arbeit einschränken oder gar ganz einstellen müssen? (...) Auch Alibi-Forschung, die in Wirklichkeit – vernünftigerweise – doch (eher) der Versorung dient, könnte billiger sein.

Wahrscheinlich zeigt auch dieses Beispiel, wie sehr profilierungsorientiert und prestigesüchtig Senatorin Roth und wie wenig flexibel und pragmatisch sie und manch anderer ist – zunächst einmal zum eigenen ,Ruhm' und Lob und sehr viel später erst zur wirklichen Hilfe für die Betroffenen.

Marlies Schrader

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