■ Press-Schlag: Mister Gras
Es gibt verschiedene Arten, sein Geld unter die Leute zu bringen. Man kann es zum Fenster hinauswerfen. Zum Beispiel. Nur tut man das in der Regel ungern, weil man hernach um so weniger davon besitzt. Zumindest, wenn man der Scheinchen nicht zuhauf hat. Solche Menschen gibt es gleichwohl. Einem fiel nichts Besseres ein, als seine Kohle in einem Tenniscenter zu verheizen. 55 Millionen Mark, in Worten: fünfundfünzig, in Nullen: 55.000.000. Zum Fenster rausgeschmissen? I wo. Gut angelegt. So ein Rasen wirft mehr Dividende ab als manches Festpapier auf einer Bank.
Man muß eben erst einmal auf die Idee kommen, Klein- Wimbledon aus dem westfälischen Boden zu stampfen, ein drittes Rasenturnier (neben Queens und dem besagten Wimbledon) auszurichten und auch noch das Daviscup-Viertelfinale an diesem Wochenende zwischen Deutschland und dem tschecho-slowakischen Tennisbündnis an Land zu ziehen. Ein grandioser Werbe- Gag? Wenn man bedenkt, daß 1990 etwa 1,2 Milliarden Sponsorengelder geflossen sind, 1995 zwei Milliarden prognostiziert werden und der Show-Sport mit 55 Prozent der Hauptnutznießer diesen alles andere als altruistischen Mäzenatentums ist, muß man sich als um die Gunst der Konsumenten Werbender ja irgendwie von den anderen, für die Sport bloß Marketing ist, abheben.
Mister Gras, wie unser findiger Firmenboß schon unter seinesgleichen genannt wird, reibt sich die Hände, schließt die Augen, vor denen sich, man spürt es, der Blätterwald häuft: „Diese Resonanz!“ – er hält inne, man ahnt, es ist etwas Großes geschehen. Das Wimbledon-Phantom geisterte durch die Gazetten, der Name von Mister Gras und seiner Textilkollektion ist in aller Munde. Und der Mister aus dem 19.000-Seelen-Nest spricht davon, wie sehr ihm Tennis am Herzen liege, es gehe ihm doch vor allem um die Jugend, da gebe es einen in seinem Club, der sei gerade Junioren-Weltmeister geworden, und schließlich wolle er auch noch ein Jung-Talent von Blau-Weiß in die Top ten bringen ...
Ach, seufzen wir verzückt, und die vielen, schönen Millionen, völlig uneigennützig ... Jäh werden wir geweckt. Ganz so gönnerhaft ist er denn doch nicht, der neue Tennis-Papa, der immerhin einem Unternehmen vorsteht, das 650 Menschen den Broterwerb sichert, das ganz im Sinne des EG-Binnenmarktes (oder eher nicht??) beginnt, nach Portugal zu expandieren und einen Jahres- Umsatz von 320 Millionen Mark vorweist. Und das in einer Branche, die in der konjunkturellen Ebbe zu versanden droht. „Wir haben zweistellige Zuwachsraten“, die Brust schwillt dem Mister, man sieht es förmlich auch am Ende der Telefonleitung.
Ja, ja, früher, da hat er es auch so gemacht wie alle anderen, einen Sportler als Litfaßsäule benutzt. Steffi Graf hatte das Vergnügen vor sieben Jahren. Selbiges war beiderseitig. Mister – nein, damals noch nicht „Gras“, sondern ein ganz simpler Gerry Weber – suchte für seine Klamotten ein Label und eine Labelträgerin (früher sprach man zugegebenermaßen etwas altbacken von Leistungsträgerin) und ging schwuppdiwupp an die Börse. Na bitte, ist doch etwas! Kann auch nicht jeder, damit jährlich 40 Millionen abdrücken.
Ja, aber das machen doch alle. Außer Hamlet. Für den legte jedenfalls August Everding, seines Zeichens Generalintendant des Bayerischen Staatstheaters, tapfer beim ersten Sponsoring-Forum vor drei Jahren seine Hand ins Feuer, Hamlet werde nie ein Leibchen tragen. Zu Zeiten des Sponsoren-Overkills darf's schon etwas origineller sein: Geld mit Gras. Der Firmenchef als Investor, Veranstalter und Sponsor in Personalunion. Bei Gott, es ist mal wieder nicht so, wie es der naive Zeitgenosse denkt, daß man gleich mehr Blüschen verkauft, nur weil man 55 Millionen ins Tennis-Wohlergehen (Tennishalle, Courts, Fitneßcenter und Hotel) gepumpt hat.
Aber „der Bekanntheitsgrad“, ja, der macht's. Und weil Mister Gras es ganz genau wissen wollte, wer ihn denn vor seiner Gras-Idee kannte und ob der Hund nach Ablauf von Turnier und Davis-Cup noch bunter geworden ist, hat er gleich ein Meinungsforschungsinstitut aus Nürnberg mit der Recherche beauftragt. In zwei Wochen wissen wir mehr, sagt Mister Gras. Sofern wir es überhaupt noch wissen wollen. Cornelia Heim
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