Press-Schlag: Nüsse und Bananen
■ Westerhof und der Fall Amunike
Die Nigerianer hatten unzweifelhaft eine der besten Mannschaften der Fußballweltmeisterschaft. Technisch versierte, zweikampfstarke Verteidiger, ein exzellentes Mittelfeld, und mit Amokachi und Yekini zwei äußerst durchsetzungsfähige Stürmer. Ihr Problem hieß Clemens Westerhof. Der niederländische Trainer ist ein ignoranter Mensch, der mehr Vorurteile über den afrikanischen Fußball mit sich herumschleppt als Karl-Heinz Rummenigge und alle deutschen Fernsehkommentatoren zusammen. „Sie essen fettig, vergnügen sich mit ihren oder anderen Frauen, haben sich nicht mehr unter Kontrolle“, sagte er seinen Spielern nach, „die wollen nicht einfach gewinnen, die wollen sich als Helden feiern lassen, den Gegner demütigen.“
Westerhof versuchte, diesem afrikanischen Unverstand seine Vorstellung von europäischer Disziplin und Kampfkraft entgegenzusetzen und schaffte es, daß Nigeria trotz seiner spielerischen Klasse nur ein einziges richtig gutes Spiel lieferte: das 3:0 gegen Bulgarien zu Beginn. Gegen Argentinien hielt er seine Spieler zu permanentem Foulspiel an, im Achtelfinale gegen Italien ließ er sie nach dem Führungstreffer defensiv spielen, anstatt ihre Offensivkraft dazu zu benutzen, den sichtlich unterlegenen Gegner unter Druck zu setzen. Durch Baggios Tore schied Nigeria aus, doch Westerhof freute sich hinterher immer noch, daß es seiner Mannschaft gelungen war, fast neunzig Minuten lang „einen guten Catenaccio zu spielen“, und rühmte sich ausgerechnet des Lobes von Carlos Bilardo. Der argentinische Prediger des destruktiven Fußballs hätte ihm zu seiner hervorragenden Taktik gratuliert.
Doch Westerhofs Einfluß scheint nicht nur auf fußballerischem, sondern auch auf anderem Terrain unheilvoll gewirkt zu haben. Das Land Nigeria beschreibt er als ein wüstes Konglomerat von Primitivität und Banditentum: „Wer nicht Beton vor dem Kopf hat und eine Elefantenhaut, der überlebt dort nicht.“ Die Fußballer hätten es satt, „nur Bananen und Nüsse zu essen“, drum seien sie alle scharf auf einen Vertrag im Ausland. Das scheint der Niederländer, wie der Fall Amunike zeigt, kräftig zu seinem Vorteil ausgenutzt zu haben. „Westerhof hat viele Spieler nach Europa verkauft“, bestätigt Jay-Jay Okocha, nigerianischer Nationalspieler in Diensten der Frankfurter Eintracht. Oft habe er es mit Druck versucht. „Wer nicht spurte, spielte nicht mehr in der Nationalmannschaft“, meint Okocha, der sich zu Amunikes Situation aber nicht äußern wollte.
Emmanuel Amunike hatte vor der Weltmeisterschaft einen Vertrag beim MSV Duisburg unterschrieben, mit seinem alten Klub Zamalek Kairo einigte sich der MSV auf eine Ablösesumme von 1,3 Millionen Mark. Nach der WM unterschrieb der 23jährige, dessen „Marktwert“ durch seine guten Leistungen in den USA beträchtlich gestiegen ist, einen erheblich besseren Kontrakt bei Sporting Lissabon. 1,1 Millionen soll der Nigerianer in Portugal pro Jahr verdienen, wesentlich mehr als in Duisburg. Der MSV pocht jedoch auf die Gültigkeit seiner Verträge, und sowohl FIFA-Generalsekretär Joseph Blatter als auch der DFB bestätigten den Standpunkt des Bundesligisten. Sporting-Präsident Sousa Cintra macht hingegen geltend, daß der Vertrag mit dem MSV gegen den Willen Amunikes und auf Druck von Westerhof zustandegekomen sei, der gedroht habe, Amunike aus dem WM- Kader zu werfen.
„Das wäre keine Überraschung für mich“, sagt Okocha, und auch MSV-Coach Ewald Lienen vermutet: „Emmanuel ist sicher irgendwelchen windigen Spielervermittlern aufgesessen.“ Über deren Identität gibt es wenig Zweifel, wie auch darüber, daß sie sich wohl kaum mit Nüssen und Bananen zufriedengegeben haben. Matti Lieske
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