Press-Schlag: Auch Becker stichelt
■ Beim Davis Cup in Rumänien kulminiert der Machtkampf im deutschen Tennis
Auf geheimnisvolle Weise scheint, wenn es um einen Tiefpunkt im deutschen Tennissport geht, immer Rumänien zur Stelle zu sein. Es war an einem Herbstwochenende vor ziemlich genau 15 Jahren, als das deutsche Davis Cup-Team schon einmal gegen den Abstieg spielte. Vor etwa 200 Zuschauern in Berlin wurde gegen eine jämmerlich schwache rumänische Mannschaft der Post-Nastase-Zeit zwar der Klassenerhalt geschafft, doch nichts in der öden Begegnung deutete darauf hin, dass mit einem Aufschwung bei der Vertretung des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) zu rechnen sei. Ein halbes Jahr später gewann ein 17-Jähriger namens Boris Becker Wimbledon, und alles ward gut.
Heute nun schließt sich der Kreis. In Bukarest steht wieder ein Abstiegsspiel gegen Rumänien auf dem Programm, und sollte dies in die Binsen gehen, könnte die Ära Becker im deutschen Tennis beendet sein. Die Durchhalteparolen, Harmonieschwüre und Goodwill-Erklärungen, die im Vorfeld der Partie vom plötzlich sehr samtzüngigen Teamchef Becker zu hören sind, klingen eher nach Vorboten eines infernalischen Gewitters als nach Beruhigung. Sollten die Tennisspieler Thomas Haas, der heute (11.30 Uhr, Premiere) zum Auftakt gegen Adrian Voinea antritt, Rainer Schüttler (danach gegen Andrej Pavel) sowie die Doppelspieler David Prinosil und Marc-Kevin Goellner den Verbleib in der Weltgruppe sichern, werden die Grabenkriege munter weitergehen. Sollten sie verlieren, dürfte ein gewaltiger Krach unvermeidlich sein. „Ich bin mit dem Präsidenten in einem Boot. Das ist mein Mann, mein Präsidium, meine Mannschaft“, sagt Becker beschwörend, obwohl Karl Weber in der Vergangenheit ganz und gar nicht sein Präsident war und durch seine Führungsschwäche die unendlichen Querelen im DTB erst möglich machte. Im anderen Boot sitzen auf jeden Fall die Verbandsfürsten, denen Boris Beckers Machtfülle unheimlich ist, und deren Speerspitze, Sportwart Dirk Hordorff.
Dieser hat immer wieder gegen Becker gestichelt, was sehr wohl im Wortsinn zu verstehen ist. Die perfide Idee, Beckers Erzrivalen Michael Stich ins Davis Cup-Team einzubinden, war auf Hordorffs Mist gewachsen und erfüllte ihren kopfstößigen Zweck. Aber nun schlug Becker kongenial zurück und regte an, Stich doch zum Sportwart zu ernennen. „Auch wenn jetzt einige grinsen mögen“, vermutet er zu Recht, „wenn wir zu zweit an einem Tisch saßen, hat es nie Probleme gegeben.“ Wie er zu solch spektakulärem Sinneswandel gekommen ist, verriet der 31-jährige Tennispensionär dem Stern: „Tatsächlich bin ich in Tiefen meiner Seele vorgedrungen, von denen ich bis zu diesem Augenblick noch nichts wusste.“
Er weiß sogar noch mehr, nämlich: „Die nächsten Wochen werden so spannend wie die letzten 20 Jahre nicht.“ Dabei ist die Frage, ob es gelingt, den notorisch beleidigten Nicolas Kiefer (6) wieder zum nationalen Schlägerdienst zu bewegen, das geringste Problem. Bei einem Debakel in Bukarest drohen ganz andere Tumulte im DTB. „Wir stehen wie eine Wand hinter der Führung“, sagt Becker, was ja nichts anderes bedeutet, als dass die Führung mit dem Rücken zur Wand steht. Sicher scheint nur eins: Wie auch immer der Machtkampf ausgeht, die Konkursmasse heißt Michael Stich.
Zumindest so lange, bis das eintritt und tennismäßige Früchte trägt, was sich Fortpflanzungsexperte Boris Becker von der Liaison Andre Agassis mit Steffi Graf ersehnt: „Ich hoffe, sie wird bald schwanger.“ Matti Lieske
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