Prediger Moktada as-Sadr zurück im Irak: Schiitenheld von Jubel gestört
Der einstige radikale Prediger und Milizenführer Moktada as-Sadr hat sein iranisches Exil aufgegeben und ist nach Bagdad zurückgekehrt. Das verunsichert die USA.
BAGDAD taz | Vier Tage nach seiner überraschenden Rückkehr in den Irak übt sich der radikale Schiitenprediger Moktada as-Sadr weiter in Zurückhaltung. Im Gegensatz zu früher hat er am gestrigen Freitag nicht die traditionelle Freitagspredigt in der großen Moschee von Kufa bei Nadschaf gehalten. Dort hatte Sadr regelmäßig gegen die US-Amerikaner vom Leder gezogen und seine Anhänger zum Widerstand angestachelt, bevor er vor rund vier Jahren im Iran untertauchte.
Die einzige Wortmeldung des unberechenbaren Sprosses einer berühmten schiitischen Gelehrtenfamilie war in diesen Tagen ein Kurzzeiler, in dem er sich über die Disziplinlosigkeit seiner Anhänger mokierte. Diese hatten "Hoch soll er leben" gebrüllt, gedrängelt und geschoben, um einen Blick auf ihr Idol zu erhaschen, als Sadr den Schrein von Imam Ali in Nadschaf besuchte. Sadr war am Mittwochnachmittag aus seinem selbstgewählten Exil im Iran in die heilige Schiitenstadt im Irak zurückgekehrt.
Der Mangel an Disziplin habe ihn gestört und verletzt, erklärte Sadr nach dem Besuch in Nadschaf. Seine Anhänger sollten sich mit lauten Jubelrufen und dem Gezerre zurückhalten, meinte er; das schade ihm, dem Ansehen der Bewegung und der Sadr-Familie. Ob der fast schon staatsmännische Ton Ausdruck einer neuen Ära oder nur dem Augenblick geschuldet ist, darüber rätseln im Irak jetzt Politiker wie Bürger gleichermaßen.
Wenn überhaupt, äußern sich irakische Politiker nur extrem vorsichtig über den jüngsten Winkelzug des ehemaligen Chefs einer der am meisten gefürchteten Milizen im Irak. Die Rückkehr von Sadr werde zur Stabilität im Irak beitragen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Bagdad. Er werde den politischen Prozess stärken, erklärte ein Vertrauter von Regierungschef Nuri al-Maliki, ebenfalls ein Schiit. Abwarten und Zuversicht verbreiten scheint fürs Erste die Devise.
Moktada as-Sadr, Sohn eines bekannten Geistlichen, der 1999 vermutlich von Schergen des damaligen irakischen Saddam-Regimes umgebracht wurde, hatte unmittelbar nach dem Sturz Saddams 2003 erstmals für Unruhe gesorgt, als er für den Mord an einem moderaten Schiitengeistlichen verantwortlich gemacht wurde. Die US-Amerikaner erließen Haftbefehl, der allerdings nie vollstreckt wurde. Angehörige des Geistlichen haben gestern gefordert, dass sich Sadr der Justiz stellen müsse. Laut Vertrauten hat die Regierung Sadr jedoch Straffreiheit zugesagt. Tatsächlich kann es sich die irakische Regierung kaum leisten, sich mit Sadr anzulegen.
Im Gegensatz zu den meisten Politikern Iraks ist Sadr nämlich in der Lage, mehr oder weniger aus dem Stand eine Massenbewegung loszutreten. Vor allem unter den verarmten und benachteiligten Schiiten schaffte er es nach 2003, sich gewissermaßen zum Rächer der Entrechteten aufzuspielen, nicht zuletzt dank des Ansehens seines Vaters.
Von Anfang an trat er zudem mit scharfer antiamerikanischer Rhetorik hervor und gründete eine Miliz, die sich mehrfach blutige Kämpfe mit den US-Streitkräften lieferte. Die Milizionäre bekämpften freilich nicht nur die US-Amerikaner, sondern machten auch Jagd auf die Sunniten im Land. Viele Iraker waren deshalb erleichtert, als Ministerpräsident Maliki mit Hilfe der USA vor zwei Jahren den Kampf gegen die Sadr-Milizionäre aufnahm.
Dass Maliki im Dezember erneut zum Regierungschef des Iraks gewählt werden konnte, ein Dreivierteljahr nach den Parlamentswahlen, verdankt er insbesondere Sadr. Erst dessen Einlenken gab Maliki genügend Schub, um die monatelange Blockade nach der Wahl im März zu durchbrechen. US-Diplomaten haben zwar davor gewarnt, den Sadristen zu viel Macht in der Regierung zu geben. Doch der US-Einfluss im Irak schwindet. Jetzt, wo der Abzug der letzten US-Truppen ansteht, ist Sadr wieder auf der Bühne zurück.
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