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Prahlhans Pee und seine Parteifreunde Von Ralf Sotscheck

Irland ist, mangels Bananen, eine Kartoffelrepublik – jedenfalls was die politische Führung betrifft. Die größeren Parteien unterscheiden sich in ihrer Politik nur wenig und in ihrer Geldgier überhaupt nicht. Nun ist der korrupte Haufen aufgeflogen. Gleichzeitig grassiert eine ungewöhnliche Krankheit: Das Wort „Geld“ löst schlagartig Amnesie bei den Parlamentariern aus. Um Licht in die dunklen Transaktionen zu bringen, hat man mehrere Untersuchungen eingeleitet, und fast täglich treffen neue Nachrichten ein über braune Papiertüten voller Geld für einen früheren Außenminister, über ein geheimnisvolles Konto auf den Cayman-Inseln, von dem sich Dutzende Politiker bedienten, und über Dubliner Stadträte, die sich dafür bezahlen ließen, daß sie billige Äcker in lukratives Bauland umwidmeten.

König der Diebe ist der ehemalige Premierminister Charles Haughey. „Als Gemeinschaft leben wir weit über unsere Verhältnisse“, belehrte er die Nation zu seinem Amtsantritt 1980, während sein Finanzberater versuchte, die Bank hinzuhalten, die Haugheys 1,14 Millionen Pfund Schulden eintreiben wollte. Kurz darauf waren die Schulden beglichen: Der ehemalige Premierminister ließ sich von einem Geschäftsmann aushalten. Zuerst war von 1,3 Millionen Pfund die Rede, inzwischen vermuten Experten, daß Haughey im Laufe der Jahre an die 20 Millionen Pfund abgesahnt hat. Da war die Streichung seiner Steuerschulden in Höhe von drei Millionen – der verantwortliche Steuerinspektor ist der Schwager des derzeitigen Premierministers und Haughey-Zöglings Bertie Ahern – nur ein Taschengeld. Die Nation fragt sich, worin die Gegenleistungen für die Zuwendungen bestanden.

Der dümmste dieser Galgenvögel aber ist Padraig „Pee“ Flynn, irischer Paradechauvi und EU-Kommissar für soziale Angelegenheiten. Er greift nach jeder Schlinge, die ihm hingehalten wird, und legt sie sich freudig um den Hals. „Pee“ soll eine 50.000-Pfund-Parteispende vom Bauunternehmer Tom Gilmartin einkassiert haben – bei der Regierungspartei offenbar eine gängige Praxis. Gay Byrne, Leiter der ältesten Talkshow der Welt, lud die Knalltüte ins Fernsehen ein. „Ich bekomme 140.000 Pfund im Jahr plus großzügige Spesen, ich habe Anrecht auf drei Renten“, prahlte Flynn, „aber man darf nicht vergessen, daß ich ja auch drei Wohnsitze habe – in Brüssel, Dublin und in Castlebar. Meine Frau Dorothy und ich finden es nicht einfach, drei Häuser zu unterhalten.“

Deshalb also die 50.000 Pfund von Gilmartin? „Ach, der arme Tom“, weinerte Flynn, „er ist sehr krank, und seine arme Frau ist auch sehr krank.“ Der kerngesunde Gilmartin rief noch während der Sendung an und verkündete, daß er seine Meinung wegen dieser Unverschämtheit geändert habe: Er werde nun doch vor dem Untersuchungsausschuß auspacken. „Pee“ verschwand hernach flugs nach Brüssel.

Vorige Woche entschied das Parlament, Flynn solle binnen drei Wochen zurückkommen und dem Parlament die verschwundene Parteispende erklären. Einzig die Abgeordnete Beverly Cooper-Flynn stimmte dagegen und wurde deshalb vorübergehend aus der Fraktion geworfen. „Eine Flynn muß einen Flynn unterstützen“, sagte sie. Beverly Cooper-Flynn ist „Pees“ Tochter.

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