: Präzise und sinnlich
■ Compagnie Januari beim Danceport
Die Performance beginnt, als wolle die Gruppe Compagnie Januari den Ernst der Avantgarde mit der Leichtigkeit des reinen Spiels versöhnen. Eine leere Bühne, schlichte schwarze Kostüme, streng formalisierte Bewegungen - mehr brauchen die vier Tänzerinnen und der eine Tänzer nicht, um in den ersten 20 Minuten von Under a Cloud beinahe schwerelose Studie über Bewegungsabläufe vorzulegen.
Auf den Zehenspitzen mit einer Sicherheit durch den Raum stolzierend, als sei diese Form der Fortbewegung so selbstverständlich wie das Atmen, strahlen sie ins Publikum wie Engel. Bruchlos löst sich ein einzelner aus der Gruppe. Nahtlos fügen sich die getrennten Abläufe wieder zur Simultanität zusammen. Dabei bleibt die Choreographie stets frontal auf das Publikum gerichtet - auch wenn diesem nicht immer das Gesicht, sondern gelegentlich auch der Hintern entgegengehalten wird.
Aus einem beeindruckenden tänzerischen Ausdrucksrepertoire haben die Choreographen Maria Voortman und Roberto de Jonge präzise Szenen geformt, die sich von keinem Sinn einholen lassen wollten. Das ist sehr fröhlich, sehr gekonnt, sehr sinnlich. Und doch sind auch die nötigen Brüche und Selbstirionien enthalten, um den Auftritt nicht ins Süßliche abgleiten zu lassen. Wir hätten gern noch stundenlang zugesehen. Doch ist nicht laut Rilke das Schöne nichts als des Schrecklichen Anfang? So auch hier. Erst allmählich, dann kippt der Tanz immer bestimmter. Eine Tänzerin fällt aus der Leichtigkeit heraus, eine zweite schneidet Grimassen. Und schließlich bestraft die ganze Gruppe die Zuschauer für 20 Minuten Glück mit 50 Minuten Schmerzenspathos. Auch dies nicht ohne Ironie und tänzerisch auf hohem Niveau. Aber man gewinnt den Eindruck, die Compagnie Januari wolle jetzt nur noch die Rechnung für ihre anfängliche Anmut präsentieren. So siegt die Avantgarde doch noch über das Spiel. Aber vielleicht wären 70 Minuten Glück auch des Guten zuviel.
Dirk Kipphals
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen