Präsidentschaftswahl in Südafrika: Kampf der Farben
Am Mittwoch wählt Südafrika einen neuen Präsidenten. Vermutlich wird es der alte sein: Cyril Ramaphosa. Doch dessen ANC ist angeschlagen.
Der charismatische schwarze Politiker fegt wie ein Wirbelwind durch seine Rede. „Ich will Wandel in dieses Land bringen. Wir haben einen Plan, Südafrika komplett zu reformieren.“ Maimane gestikuliert und inszeniert, er sprüht förmlich vor Energie. „Ihr müsst mich gar nicht mögen. Auch müsst ihr mir nicht eure Loyalität auf Lebenszeit geben. Vertraut uns für die nächsten fünf Jahre. Wenn wir nichts bringen, feuert uns.“
Ganz einfach scheint die Rechnung, die Maimane im Namen seiner Partei, der Demokratischen Allianz (DA), aufmacht. Alles möchte man ihm glauben. Parteichef Maimane, 38 Jahre jung, gibt sich nicht als tanzender und johlender Politiker, sondern eloquent-seriös. Und punktet durch eine gehörige Portion Charme. Die größte Oppositionspartei hat einen glänzenden Auftritt bei ihrer Abschlusskundgebung am vergangenen Wochenende.
Am Mittwoch wählt Südafrika einen neuen Präsidenten, durch die Wahl einer Partei. Auch das Parlament wird neu besetzt. Der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) mit Cyril Ramaphosa an der Spitze hofft, dass seine Wähler – allen Korruptionsskandalen der letzten Jahre zum Trotz – die Partei der Befreiungsbewegung an die vertraute 60-Prozent-Marke der Vorjahre bringen; Umfragen schwanken zwischen 51 und 61 Prozent für den ANC. Die DA wird ihren Rang als größte Oppositionspartei verteidigen. Und die radikale Partei der ökonomischen Freiheitskämpfer (EFF) spielt wohl das Zünglein an der Waage.
Am 8. Mai wählen knapp 27 Millionen registrierte Wähler in Südafrika ein neues Parlament und elf Provinzparlamente. Der Spitzenkandidat des Siegers wird Staatspräsident.
Freie Wahlen in Südafrika gibt es erst seit 1994, als die weiße Alleinherrschaft, genannt Apartheid, zu Ende ging. Die schwarze Befreiungsbewegung ANC (Afrikanischer Nationalkongress) übernahm unter Nelson Mandela die Macht, Südafrika wurde als „Regenbogennation“ zum globalen Vorbild.
Der ANC regiert seit 25 Jahren. Mandela übergab sein Amt nach fünf Jahren an seinen Stellvertreter Thabo Mbeki, der 2008 auf Betreiben seines Rivalen Jacob Zuma aus dem Amt gedrängt wurde. Zuma wiederum wurde im Februar 2018 wegen massiver Korruption entmachtet und durch Cyril Ramaphosa ersetzt. Der sucht jetzt die Bestätigung an der Wahlurne.
Mmusi Maimane ist seit 2015 das neue Gesicht der einst weißen DA, die bei rund 20 Prozent Zustimmung liegt. Damals übernahm er den Parteivorsitz von Helen Zille. Die DA verkauft sich als Sammelbecken aller Hautfarben und Wähler der Regenbogennation, die mit der desolaten Politik der Regierung nichts mehr zu tun haben wollen. „Wir müssen uns von den Befreiern befreien“, fordert Maimane. „Seid mutig, nichts kommt aus einer Komfortzone, Südafrika ist kompliziert. Aber wir können es schaffen.“
Doch für viele Wähler ist die liberale Partei immer noch zu weiß. Für sie ist Maimane nur der schwarze Frontmann, verheiratet mit einer weißen Südafrikanerin. Immerhin: Die DA feierte einen großen Erfolg bei den Kommunalwahlen 2016, als sie die Metropolen Johannesburg, Pretoria und Nelson Mandela Bay übernahm.
Am Mittwoch möchte sie auch auf Landesebene punkten. Sie fordert, das aufgeblasene Kabinett von 70 Mitgliedern um die Hälfte zu verkleinern und das Kindergeld zu verdoppeln. Die stagnierende Wirtschaft soll wachsen und mindestens „ein Job für jeden Haushalt“ geschaffen werden. Mit seinem kurz vor den Wahlen veröffentlichten Buch „Gangster-Staat“ machte Maimane die korrupten Machenschaften in der Regierungselite sichtbar. An den Autobahnen stehen riesige Werbetafeln mit der Behauptung: „DA kann Mandelas Traum erfüllen.“
Mmusi Maimane, DA
Maimane spreche genau die Probleme des Landes an, bilanziert die politische Kommentatorin Susan Booysen, aber ohne detaillierte Schritte für die Ziele zu nennen. Und Maimane hebt die Hauptschwäche des ANC hervor: Dessen Erfolg hängt nur von einer Person ab, und die saß auch schon im Kabinett, als Präsident Jacob Zuma mit seinen Verbündeten und der Geschäftsfamilie Gupta den Staat geplündert hat. „Aber er hat dazu geschwiegen“, brüllt Maimane ins Volk und spielt auf den seit 2018 amtierenden Präsidenten Cyril Ramaphosa an.
Der alte und mit großer Wahrscheinlichkeit neue Präsident Ramaphosa trägt Gelb, als er einen Tag später im Ellis-Park-Stadion in der Johannesburger Innenstadt in typischer ANC-Manier ans Rednerpult tritt: keinen Anzug, sondern T-Shirt und gelbe Kappe, die erhobene rechte Faust geballt: „Amandla“ – die Macht dem Volke –, der traditionelle Ruf aus dem Befreiungskampf, mit dem auch Maimane seine Anhänger anfeuerte. Dies ist die Stunde der gelben Hemden. Die Regierungspartei will noch einmal alles geben, um Wähler zu gewinnen.
Der Auftakt ist ein Paukenschlag: „Es tut uns leid, wir haben Fehler gemacht“, bittet Ramaphosa demütig um eine zweite Chance. Er ist kein glühender Redner, arbeitet sich Schritt für Schritt im Stakkato-Ton durch sein Manuskript. „Der Weg, der vor uns liegt, ist lang.“ Aber es gebe keine Alternative zum ANC. Andere reden, der ANC macht, lautet sein Motto. Tausende Anhänger im Stadion sind begeistert und tröten in ihre Vuvuzelas.
„Wir werden uns nicht mehr hingeben, keine Besitznahme des Staates zulassen. Die Ära der Straflosigkeit ist vorbei.“ Ramaphosa wird laut. Millionen sollen in die Wirtschaft gepumpt werden. 27 Prozent sind arbeitslos, 55 Prozent leben laut Studien in Armut. Mehr Jobs, mehr Häuser, Bildung und Kliniken, mehr Anti-Aids-Medikamente gab es bereits unter Jacob Zuma. Mehr Unterstützung für Ausbildung, mehr Fürsorge für die sozial Schwachen, Kranken und Alten.
Ramaphosa will die Kraft des ANC demonstrieren. Aber die Partei ist stark angeschlagen. Sie leidet unter internen Spaltungen. Einigkeit ist zwar das Mantra der Partei bei der Wahl, doch die zehn Jahre unter der korrupten Zuma-Regierung haben ihren Preis: Die Anhänger sind verärgert, das kostet Stimmen. 2009 holte der ANC noch die Zweidrittelmehrheit, 2014 unter Zuma waren es 62 Prozent.
„Ramaphosa hat nichts Neues verkündet“, sagt Analyst Onkgopotse JJ Thabane. Eine Entschuldigung reiche nicht für das Vertrauen. Das Land brauche Aktionen, nicht noch einmal die Botschaft der Hoffnung, dass alles besser werde. „Dem ANC müssen die Flügel beschnitten werden, dann erwacht sein Bewusstsein. Sie müssen verlieren, um nüchtern zu werden.“
Während der ANC mit seiner Anhängerschar im Ellis-Park-Stadion noch feiert, setzt in Soweto die linke Opposition zum Finale ihres Wahlkampfs an: „Viva EFF – Viva!“ Das Orlando-Stadium ist komplett in Rot getaucht, Tausende tragen T-Shirts in der Parteifarbe und das Markenzeichen der Kämpfer für wirtschaftliche Freiheit: ein rotes Barett.
„Kämpfer, der ANC hat Angst vor euch!“ Julius Malema hebt an: „Wir sind die Zukunft Südafrikas. In nur fünf Jahren haben wir das hier geschafft.“ Seine Hand deutet von einer Stadion-Seite zur anderen: Die Plätze sind besetzt. Die Stimmung prächtig. Plakate mit „Malema 4 President“ tanzen in der Luft. Anhänger wollen: „Unser Land und Arbeit – jetzt.“
Malemas linkspopulistische EFF (Economic Freedom Fighters) ist die drittgrößte und radikalste Partei Südafrikas. Sie ist als Protestbewegung aus der Regierungspartei des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) hervorgegangen und zog 2014 mit sechs Prozent ins Parlament ein. In den fünf Jahren ihrer Existenz hat sie beachtliche Unterstützung erhalten, laut Prognosen könnte sie bis auf knapp 14 Prozent klettern.
Malema verspricht Häuser und Jobs, fordert den Besitz von Land für Schwarze und die entschädigungslose Enteignung von Weißen, bessere Erziehung, eine effiziente Polizei. „Zuma ist Tsotsi (Gangster) Nummer eins“, ruft er und streckt seinen Zeigefinger in die Höhe. „Ramaphosa hat das Massaker von Marikana mit zu verantworten – er gehört ins Gefängnis nach Sun City, nicht ins Parlament.“ Malema dreht auf. Wie so häufig, gehen seine Wahlkampf-Slogans mit Attacken gegen Weiße einher.
„Warum grenzt ihr Weißen uns aus“, ruft Juju, wie Malema von seinen Anhängern genannt wird. „Wir sind nicht gegen Weiße, nur gegen weiße Privilegien und Arroganz“, schreit er ins Publikum. Und lädt junge Weiße in seine Partei ein: „Wir kämpfen, um mit Weißen gleichgestellt zu sein.“ An die Jugend Südafrikas appelliert er: „Euer Abitur ist besser als Geld, lasst es euch einen Platz an der Uni sichern. Wir wollen eine gebildete Nation. Nicht Millionen Menschen, die Sozialhilfe erhalten.“
Der Chef der roten Kämpfer ist voller Leidenschaft. Er spricht für die Besitzlosen, 59 Prozent seiner Wähler sind arbeitslos. Aber er selbst liebt auch den guten Lebensstil: Er ist Mitglied in exklusiven Inanda Country-Club, ausschließlich für die Reichen Südafrikas reserviert. Und er macht auch mit dubiosen Finanzaktionen auf sich aufmerksam. Zum Beispiel dem Skandal um die VBS Bank, die angeblich wegen illegaler Geldtransfers in EFF-Kreisen pleiteging.
Die EFF-Anhänger kümmert es nicht. Das Stadion brodelt. Die Partei setzt besonders auf junge Wähler. Aber Südafrikas Jugend ist desillusioniert. Viele gehen nicht zur Wahl. „Die Jugend hängt keiner Partei wirklich an, sie interessieren sich vor allem für die Politik an ihren Universitäten und wählen erst, wenn sie Steuern zahlen“, sagt Gareth van Onselen, Mitarbeiter des Instituts für Rassenbeziehungen (IRR). „Wenn sich die EFF auf diese Gruppe verlässt, ist das ein Risiko. Die EFF liefert einen Wunschtraum von einer Gesellschaft, in der für jeden alles zugänglich ist.“
Luftschlösser sind zumindest im Orlando-Stadion kein Traum. Vier Helikopter tauchen am blauen Himmel auf und lassen die rote Fahne wehen: Wählt EFF. Dann kommt der rote Konfetti-Regen und die Party beginnt.
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