: Prädikat: Ganz unitalienisch
■ Paolo Conte, der sexy-alte-Mann des italienischen Chansons, gastiert in Hamburg
Es gibt viele, viele italienische Musiker, die einfach so schlecht, so aufgesetzt, so hinterher und so provinziell sind, daß ihre Namen jedes musikliebende Gedächtnis beschmutzen, ihre Konzerte die Schlagsahnen einer ganzen Stadt sauer werden lassen und ihre Fans mit Fug und Recht nur als Weicheier bezeichnet werden können. Um ehrlich zu sein: Es sind die meisten.
Mit Paolo Conte verhält es sich ein wenig anders, denn er produziert sich nicht wie ein fetter Geck mit Hut auf dem Kopf, der Rockschlager singt, zärtelt nicht peinlich und mit ungeschnittenen Haaren mit Klassikzitaten herum und muß auch nicht die Schmierigkeit der 50er neu beleben.
Conte steht vielmehr in dem Chor wirklicher Sänger, die Texte aus dem Gehirn und nicht von der Zunge nehmen, deren Herz sich nicht permanent selbst belügen muß und die beim Umgang mit großen Gefühlen den Mut aufbringen, der Peinlichkeit zu Größe überhöht. In seiner Artengruppe korrespondiert er mit Leuten wie Leonard Cohen oder Jacques Brel .
Sicherlich ist der italienische sexy-alte-Mann nicht frei von Pathos, von großen Gesten und existentialistischem Zigarettenrauchen, aber Sehnsucht ist eben nicht gleich Sehnsucht. Bei Conte finden Stil und Herzlichkeit, Würde und blutiger Schmalz, Intelligenz und Lüsternheit zueinander, orphische Qualitäten eben. Der Mann, der lange bevor er selbst den Mut zur Bühne fand, italienische Evergreens für Adriano Celentano (einem guten) und andere Konsorten schrieb, hat auch durch seine Stilvielfalt (von Jazz bis Tango) und sein Gespür für musikalisches Understatement eine Qualität erreicht, die das ehrenvolle Prädikat „ganz unitalienisch“ verdiente. tlb
Mi., 10. 1., 20 Uhr, CCH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen