piwik no script img

Prädestiniert für Fäkalien

■ Brief des „Sklavenhändlers“ Vogel an Günter Wallraff

7.8.1986 Sehr geehrter Herr Wallraff! Wie Sie sicherlich noch wissen, betätigen wir uns u.a. im Dienstleistungsbereich mit der Reinigung und Entsorgung von Groß– Toiletten. Seinerzeit hatte ich vor, daß Sie diesen ganzen Bereich managen sollten. Für einen „Türken“ doch eine bemerkenswerte Karriere. Nachdem Sie uns so einfach verlassen haben, mußte ich anderweitig disponieren. Mittlerweile hat sich aber dieses Geschäft so ausgedehnt, daß wir noch zusätzlich Leute hierfür einstellen müssen. Da wir Sie nach wie vor einfach für prädestiniert halten, mit Fäkalien umzugehen, stehen wir auch heute noch zu unserem damaligen Angebot. Falls Sie ebenfalls noch Interesse an einer sicheren Lebensstellung haben, bitten wir um kurzfristige Nachricht. Ihre Aufgabe wäre: täglich die Stellen abfahren, an denen sich die Groß–Toileten befinden und von Hand mit Eimern und sonstigen Geräten säubern und entsorgen. Wir stellen Ihnen anheim, bei dieser Gelegenheit ebenfalls täglich die Toilette der Fa. Remmert zu reinigen und entsorgen, da gerade diese Toilette sich ja gem. Ihrem Buch in einem katastrophalen Zustand befinden muß. Ihre früheren türkischen Kollegen würden Ihnen bestimmt dankbar sein. Der Stundenlohn ist, wie Sie wissen DM 6,–, tägliche Arbeitszeit von 6.00 h bis 20.00 h, also 14 Stunden. Überstundenprozente werden, wie Sie ebenfalls wissen, nicht gezahlt. Nach 3–monatiger Probezeit sagen wir Ihnen schon jetzt eine kräftige Lohnerhöhung zu. Ob Sie ganz, teilweise oder überhaupt nicht bei der AOK angemeldet werden, können wir in einem persönlichen Gespräch abklären. Wir hoffen sehr, Ihnen eine ansprechende Tätigkeit, entsprechend Ihren Fähigkeiten angeboten zu haben und sehen Ihrer Nachricht mit Interesse entgegen. Mit freundlichen Grüßen VOGEL–Industriemontagen KG

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen