: Post aus der Moderne
„Weit droben an den nördlichen Meeren lebte damals ein seltsames und gewaltiges Geschöpf. Kein Mensch, sondern ein System, eine lebendige, spitze und harte Scholastik, eine Klippe, ein diamantenscharfer Fels im Granit der baltischen See. Jede Religion, jede Philosophie war daran gebrandet und zerschellt. Er stand unerschüttert. Die
Außenwelt
kümmerte ihn
nicht. Er hieß
Immanuel
Kant, und er
selbst nannte
sich Kritiker.
Sechzig Jahre
lang trat dies
völlig ab
strakte, men
schenfremde
Wesen zur sel
ben Stunde aus
dem Haus und
machte, immer
allein, immer
genau den gleichen Spaziergang von genau der gleichen Zeitdauer, ganz wie man bei alten Stadtuhren den eisernen Mann hinaustreten, die Stunde schlagen und wieder hineintreten sieht. Eines Tages sahen die Königsberger etwas Seltsames (und es war ihnen ein Zeichen gewaltiger Ereignisse): dieser Planet geriet aus der Bahn, verließ seine gewöhnliche Straße. Man folgte ihm, er ging nach Westen, der Straße zu, auf welcher die Post aus Frankreich kommen mußte.“ (Michelet)
Über das, was Kant aus dem Häuschen brachte, über die ungeheure Revolution im fernen Frankreich, soll an dieser Stelle berichtet werden: Modeberichte, Klatsch und Tratsch aus dem Konvent, Kochrezepte der Neuen Zeit - ab sofort und jeden Tag druckfrisch aus den Tickern der Sansculotten und den staunenden Staatsanzeigern der europäischen Monarchien. 10.VENTOSE
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