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Post aus der Moderne

('Schleswigsches Journal‘, März 1793) - In ganz Europa hat sich wohl nie ein Gedanke mit schnellerer Erschütterung verbreitet, als die Empfindung über Ludwigs Ermordung. Pfui über die Barbaren! Wehe dem Philosophen, dem kaltblütigen Zeiten-Beobachter, der hier nicht im ersten Augenblick Mensch war. Dann kann der Philosoph die Frage aufwerfen: Und warum macht denn der Tod eines einzelnen Menschen einen so allgemeinen Eindruck, da tausendmal größere Greueltaten in der Menschheit vorgehen, die wir achtungslos erzählen können? Was ist ein

unter der Guillotine gefallener Kopf gegen die Entsetzen des für eben diesen Kopf angesponnenen Krieges? Die Gründe sind einleuchtend:

1) Die Ermordung Ludwigs hebt die ganze itzige Epoke aus den Angeln, und ieder, nahe oder ferne, fühlt, daß er mit aus den Angeln gehoben wird.

2) Die Ermordung Ludwigs ist das Signal eines Blutbades, gegen welches eine trunckne Wuth der Barbaren, die in Menschenherzen und Adern schwelgten, wie eines gegen Alles ist.

3) Die Ermordung Ludwigs ist mit Beyseitesetzung und Beleidigung a) des gemeinen Menschenverstandes, b) der Menschheit, c) der rechtlichen Form, d) der rechtlichen Grundsätze, e) der großen Politik, f) der gemeinen Intrigue

geschehen. 4.GERMINAL

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