: Post aus der Moderne: 26. Ventose
Straßburg (Straßburgische Zeitung, Nr.63, 17. März 1791) In Stuttgart erschien im vorletzten Karneval Saturn, welcher eine Urne vor sich her trug, auf der die Worte glänzten: Sors gentium, das Schicksal der Völker. Einstimmig rief die
-hohe Noblesse: eine Nobelmaske! darunter ist gewiß einer von uns verborgen. Sie machten daher große Komplimente vor dem Gott der Zeiten, rannten dann weg zum Kontratanz hin, um, mit bekannter Unverschämtheit, die nicht nobelgeborenen Tänzer von den ersten Plätzen wegzudrängen. Die akademische Jugend
gafft endlich in die Urne. Lauter Devisen! französische und deutsche! Heraus damit! Die Devisen gehen von Hand zu Hand und waren alle folgenden Inhalts: „Frankreichs hohes Beispiel wird bald alle Nationen zu einer freien Familie machen.“ - „Die Deutschen werden endlich einsehen lernen, daß sie nicht frei sind, weil ihre Fürsten es sind!“
Der Samen wird Frucht tragen, denn der Boden, in den er fiel, ist durch die Aristokraten fruchtbar gemacht worden. Diese schimpfen erbärmlich über die französische Revolution. Aber fünf Sechsteile der Württemberger sind französisch gesinnt und wünschen - nicht eine Demokratie, wie die Verleumdung sagt, sondern Abstellung der Mißbräuche. Dieser Wunsch wird täglich lauter. Daher eifern Aristokraten so stark gegen Publizität und verlangen, man solle dem Verfasser der Straßburger Zeitung vermögen oder gar zwingen lassen, den Einsender seiner Nachrichten zu nennen! Alle diese Mittel sind außer der Zeit. Der Tag bricht an und man reißt die Läden auf, damit die Lichtstrahlen einfallen können. 26.VENTOSE
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