: Possen reißen Spiel kaputt
■ “Improvisationen 11“ : Jazz & Tänzer / Kein Transit über die Gattungsgrenze
Ein Raum, kahl. Rechts ein Schlagzeug. Hinten in der Ecke eine Gitarre, ansonsten Theke, breit mit Durchgang. Darauf kleine, rauschbärtige Nikolaus- Däumlinge, davor ein Eimer.
Eine Hand. Zögernd tastet sie sich auf der Theke voran. Sie zuckt zurück. Stille. Die Hand taucht wieder auf, sie wandert über die Thekenplatte. Eine zweite Hand. Sie sucht, zuckt zurück, verschwindet wie die erste. Taucht wieder auf. Die erste Hand, ist fündig geworden. Schnell hat sie sich einen der Weihnachtsmänner gekrallt, ihn hinter der Handfläche versteckt. Sie verschwindet, kehrt zurück. Erstes Johlen im Publikum. Ein zweites, drittes Mal schnappt sie zu, die Reihen der Nikoläuse lichten sich.
Zwischen den beiden Flügeln der Theke wird ein Schuh sichtbar. Ein zweiter. Strümpfe, Waden, Beine. Ein Körper, vornübergebeugt, rangiert zwischen den Thekenflügeln hindurch, kommt in den freien Raum geruckelt. Ein Mann. Johlen im Publikum. Im Sitzen entfaltet er sich, öffnet seine Haltung. Seine Bewegung steigert sich schnell, wird raumgreifend und hektisch, ziellos und verzweifelt. Der Mann sinkt wieder zu Boden, sein Kopf fällt in den Eimer. Er trinkt und keucht und keucht und trinkt. Ein Rhythmus.
Leitmotiv der „Improvisationen 11“, bei denen Uli Sobotta (g, euphonium), Trugot Thelitz (tb), H.P. Graf(sax) und Theo Leffers (dr), allesamt Matadoren der Bremer Musiker Initiative (MIB), auf den Tänzer Rolf Hammes trafen, war der innere Zusammenhang von Bewegung und Rhythmus, von Musik und Tanz. In der gemeinsamen Improvisation wollten sie ausloten, wie sich auf den verschiedenen Ausdruckskanälen miteinander kommunizieren läßt, wie Tanz und Musik einander befruchten, anstacheln und zu neuen Ergebnissen führen können.
Nur, der Austausch über die Gattungsgrenzen, er fand nicht statt. Wohl tanzte Hammes beeindruckend, bewegte seinen Körper dynamisch, mal in sich versackt, mal nach außen gekehrt; mal euphorisch schwelgend, mal am Boden zerstört. Wohl gab es auch im Spiel der Musiker die dichten Momente, die den langen Bögen der Improvisation die Krone aufsetzen, doch waren dies vor allem die eingeprobten Parts. In den freien Teilen dagegen, wo das Veranstaltungsmotto „Improvisationen“ einen Sinn macht, fehlte ihnen die rechte Inspiration und Überzeugung. Stattdessen erprobten sie sich auf fremdem Terrain, versuchten die Kluft zum Tänzer zu überbrücken, indem sie selbst Possen rissen. Als wenn es das wäre. Das Publikum hat gejohlt, doch die verschiedenen Künste blieben Geschiedene. step
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