piwik no script img
taz logo

Portraits auf Tapete

■ Glitzerwelt: Im Institut Francais sind z.Z. Schwarz- Weiß-Fotografien, gerahmt auf Tapete, von Rajak Ohanian zu sehen

„Hä? Was soll das denn? Schwarz-Weiß-Fotografien, gerahmt auf Tapete? Blümchen, hellblauer Wolkenhimmel, Reptilienhaut, geometrische Figuren als Passepartout?!“

So ging es nicht nur den MitarbeiterInnen des Institut Francais, als sie die Arbeiten von Rajak Ohanian soeben ausgepackt zum ersten Mal sahen; auch den BesucherInnen am Eröffnungstag stand die zweifelnde Überraschung über die Art der Präsentation in den Gesichtern.

Rajak Ohanian, Armenier, Mittvierziger, Schüler und Freund von Robert Doisneau, lebt und arbeitet in Paris. Bekannt wurde er durch seine Reportagen. Sein Hang zur Glitzerwelt aus Phantasie, Bewegung und Darstellung ist an den Theaterfotos zu erkennen. Seine Liebe aber gilt dem Portrait. Choreographen, Tänzer, Regisseure, Philosophen, Schauspieler, Literaten (ausschließlich männlichen Geschlechts) gehören zu den Abgebildeten. Außer Orson Welles, Robert Wilson und Tankred Dorst kannte ich niemand. Gut so, es ist oft nicht einfach zu unterscheiden, ob bei Portraits von „Berühmten“ die Bilder nicht allein schon wegen des Bekanntheitsgrades der Abgelichteten wirken, oder durch die Arbeit des Fotografen. So kann ich hier freischwebend betrachten, werde nicht durch den Moment des Wiedererkennens abgelenkt. Es sind allesamt Fotos ohne „Schnickschnack“, ohne Pose, ohne perfekt eingerichtetes Licht. Klar, deutlich, real - Abbildungen. Stille, unspektakuläre Aufnahmen, vorsichtig betrachtend, dezent, vertraut. So, als ob der aggressive Akt des Fotografierens überhaupt nicht stattgefunden hätte.

Ich sehe die Gesichter, doch

mein Blick wandert immer wieder auf die Umrahmung - warum Tapete? Mit der Zeit gewöhne ich mich daran, manchmal macht es sogar Spaß, je länger ich schaue, desto mehr erkenne ich darin die Ergänzung zu den Fotos.

Fragte man Ohanian nach seinen Beweggründen, dieses Stilmittel einzusetzen, kann ich mir eine ähnliche Antwort vorstellen, die er gibt, wenn er preisgeben soll, wann und wo dieses oder jenes Foto aufgenommen wurde: „Warum sollte das wichtig sein? “ Recht hat er. Wieso sollen wir „wissen“, warum jemand mit unseren Sehgewohnheiten spielt, wieso muß die Absicht des Künstlers ergründet werden? Beobachten wir doch erst einmal und urteilen später oder sind mutig genug, gar nicht zu werten.

Zweimal weicht Ohanian von der Einfachheit, Nüchternheit seiner Darstellung ab. Er benutzt Doppel-und Mehrfachbelichtungen, erweitert seine Bildersprache, spielt mit dem Medium. Hier ist zu ahnen, was noch alles in ihm steckt. Sehenswert.

Jörg Oberheide

Bis 17.3.1989

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen