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Pop anrempeln und kleben

■ Nicht die Dinosaurier des elektronischen Dekonstruktivismus: Mouse on Mars im Mojo-Club

Schnell in eine Schublade gesteckt mit Kreidler oder Oval: Bei Mouse on Mars hat man es mit einer klugen Nutzbarmachung von Kontrasten zu tun: Modemfiepsen und CD-Aussetzer werden neben Jim O' Rourke-Streicher und verhallte Beach Boys-Schlagzeuge gestellt. Dazu so viel Gesang wie selten zuvor, dennoch will die Band mit Pop nicht zwinghend etwas zu tun haben, wie sich im Gespräch zeigte.

taz hamburg: Würdet ihr sagen, dass am neuen Album etwas neu ist?

Andi Thoma: Es ist in einer sehr viel kürzeren Zeit entstanden.

Arbeitet ihr auf Alben hin? Oder produziert ihr die ganze Zeit und fasst dann Sachen zusammen?

Werner: Das ist manchmal wie ein Reaktionsspiel. Wir arbeiten ja seit ungefähr acht Jahren an einem großen Werk. Und dann kann es auch sein, dass der andere sagt: „Großes Werk!“, und dann ändert man alles ganz schnell wieder. Da bleibt man jung. Das ist ganz wichtig in unserem Fach, dass man beweglich bleibt im Kopf.

Thoma: Die besten Alben waren eigentlich die, wo wir nicht dachten, dass wir ein Album machen. Wo wir uns sozusagen selbst reingelegt haben.

Werner: Demnach wäre also das neue eigentlich das schlechteste bisher. Wir versuchen, die guten vor der Öffentlichkeit zu retten und die etwas anstrengenderen, unausgegoreneren zu diskutieren. Um die Unzulänglichkeiten auszugleichen: Je mehr Mängel auftauchen, desto mehr suchen wir das Gespräch. Und es gibt noch ziemlich viel zu machen. Aber wir wollen jetzt auch nicht die Dinosaurier des, äh, Dekonstruktivismus werden.

Ich glaube, die gibt es schon. Irgendwelche Texttheoretiker.

Werner: Ach so, genau. Die wollen wir nicht werden. Es ist gut, dass Mouse on Mars als Band nicht so wichtig ist, dass man das die ganze Zeit machen muss. Man kann das auflösen und andere Sachen machen. Wir könnten sicher auch mal ein Buch schreiben – wenn wir es könnten. Theoretisch dürften wir. Mit dem Album, das ist ja ganz gut, ist ja eigentlich alles gesagt. Die Texte sind in der CD, da steht dann alles drin. Eigentlich eine Gebrauchsanweisung. Es bewegt sich ja trotzdem recht viel. Man versucht, mehr oder andere Sachen zu machen. Wenn man Musik versteht wie wir: Dass sie eben nicht immer Eine-Platte-Machen ist. Man entwirft Räume und Situationen, in denen Dinge stattfinden können, sich überlagern und ein Bild ergeben. Und man sie trotzdem noch auseinander sehen und denken kann. Dafür ist Musik ein Modell, weil es sehr sinnlich ist und sehr konkret in Arbeit und Herstellung. Aber dann nicht wirklich da. Sie existiert im Kopf, man kann sie hören und über sie sprechen. Aber nicht an sich reißen,und für sich behalten.

Wie wichtig sind Auftritte?

Thoma: Eine Reflexion, vielleicht eine Weiterentwicklung. Wenn wir Platten machen, sind die für uns noch nicht richtig fertig. Wir nehmen Auftritte, um das, was auf Platte schon ziemlich auseinander gelegt ist, nochmal anders zu zerlegen und anders zu präsentieren. Und das Publikum reflektiert das.

Und auf Tour wird es das aufwändigere Rock-Set geben, weil es mehr Spaß macht?

Werner: Das Zweierding ist eigentlich besser für einen Club, aber man improvisiert mehr als beim Rock-, dem Dreierset. Das Dreierding ist verbindlicher. Bei dem Zweierding gibt es nicht viel zu sehen. Klar, es gibt immer ein paar, die wollen sehen, was man da macht. Kommen dann ganz nah an einen ran. Um einen zu segnen. Die halten ihre Hand so über einen, in diesem HipHop-Gestus. Das geht bei dem Rock-Set eben nicht. Weil wir höher stehen.

Wird getanzt auf euren Konzerten?

Werner: Ja, schon.

Im Clubrahmen mehr als bei den Konzerten?

Werner: Ja. Da kucken die Leute halt auch mehr in unsere Richtung. Aber da bewegen sich auch welche. Tanzen und so.

Du sprachst von Video-Sachen auf Tour.

Werner: Ja, die machen wir immer, wenn es geht.

Es war zu lesen, dass ihr mit Samples nicht so ganz grün seid. Also mit Fremdquellen in eigenen Stücken.

Werner: Wir machen das eigentlich nicht mehr. Es gibt keinen Bedarf. Der Reiz, dass man etwas hat, was man so neu definiert oder in einem ganz anderen Zusammenhang sich zu eigen macht, das hat sich doch ziemlich geklärt. Wir haben sozusagen einen Einwanderungsstopp verhängt.

Auf der Platte hatte ich ja den Eindruck, dass es Stellen gibt, die auch prima Samples hätten sein können. Die ganz deutlich den Eindruck erwecken: Das verweist woanders hin oder kommt von woanders her.

Thoma: Die haben dann so einen klassischen oder traditionellen Background. Auch vom Sound her.

Werner: Das war uns wichtig. Dass wir dieses Eigene, sehr Spezielle, das die Musik hat, einer allgemeineren Form gegenüberstellen wollten. Auch, um zu sagen: Das as ist Musik, die steht immer noch in einem Verhältnis und geht Verbindungen ein. Keine abgetrennte, selbstgenügsame Methode, die wir da zelebrieren.

Wie wichtig ist da eine Vokabel wie Pop?

Werner: Pop ist doch total abgeschlossen. Pop stülpt man über alles drüber, und dann hat man das im Griff, und alles ist ganz nett und angenehm.

Thoma: Wobei das Modell schon auch existiert in unserer Musik. Wir versuchen auf der Basis dieses Modells, Sachen sichtbar zu machen. Wir spielen schon mit seinen Elementen. Nicht, indem bestimmte Stilrichtungen eklektisch kopiert oder neu zusammengesetzt werden. Sondern bloßgestellt.

Werner: Oder angerempelt.

Thoma: Ja, und dann fallen sie um und zerbrechen. Und sind zwar vielleicht noch Pop, müssen aber geklebt werden.

Werner: Linearität gefällt uns nicht so richtig. Unsere Songs sind erzählerisch, aber, das klingt jetzt übertrieben, sie sind eher so Ulysses- oder Finnegan's Wake-Erzählungen. Dass Sachen auch mal ins Nichts gehen. Schon die Idee von einer Erzählung oder einem Song, ist aber eigentlich eher eine Ausbreitung.

Interview: Alexander Diehl

mit Vert : Sonntag, 21 Uhr, Mojo Club

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