Polnischer Tagebau Złoczew: Kohle bleibt im Boden

Ein polnischer Bauer siegt gegen den staatlichen Energiekonzern PGE. Seiner Ein-Mann-Initiative hatten sich Tausende Menschen angeschlossen.

das Kohlekraftwerk Belchatow in Polen

Fieser Klimakiller: Das Kohlekraftwerk Belchatow in Polen Foto: imago stock&people

WARSCHAU taz | 33 Dörfer wollten die in Polen regierenden Nationalpopulisten für den neuen Braunkohletagebau bei Łódź opfern. Das Riesenloch sollte im zentralpolnischen Złoczew (sprich Swotschew) in der Nähe der drittgrößten Stadt des Landes entstehen und ein Vorzeigeprojekt des nationalen Corona-Wiederaufbauprogramms werden. Doch die EinwohnerInnen wehrten sich.

Erst war es nur ein einzelner Bauer, der Hof und Heimat für kein Geld der Welt aufgeben wollte. Verzweifelt gründete er die Ein-Mann-Initiative „Nein zum Tagebau Złoczew“. Der schlossen sich plötzlich immer mehr Menschen an. Schließlich kam Greenpeace Polska hinzu und übernahm die professionelle Öffentlichkeitsarbeit.

Gemeinsam schafften sie, was viele für unmöglich gehalten hatten: Sie stoppten den geplanten neuen Braunkohletagebau. Vor wenigen Tagen hob die Generaldirektion der Umweltschutzbehörde in Warschau die durch die Regionalbehörde in Łódź erteilte Genehmigung auf. Nach jahrelangem Kampf können über 3.000 Menschen aufatmen. Sie dürfen bleiben. Die Kohle wird nicht aus der Erde geholt.

Das Aus für den Tagebau in Złoczew hat auch mit Polens Klima- und Energiepolitik zu tun. Denn die Kohle aus Zloczew sollte in Belchatow, Europas größtem Wärmekraftwerk, verfeuert werden. Anfang Juni aber gab Polens Ministerium für Staatsvermögen bekannt, dass die zwölf Blöcke schrittweise von 2030 bis 2036 stillgelegt werden sollen. Analog dazu will der staatliche Energiekonzern PGE (Polnische Energiegruppe) dann auch den Abbau der Braunkohlevorkommen in diesem Gebiet einstellen.

Immer mehr Brunnen versiegen

Zu den seit Jahren besonders umstrittenen Tagebauen, die Kohle an Belchatow liefern, gehört Turow im Dreiländereck Polen-Tschechien-Deutschland. Nach jahrelangen ergebnislosen Verhandlungen hatte Tschechien schließlich Polen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt und geltend gemacht, dass der bis fast an die Grenze des Nachbarlandes vorangetriebene Kohleabbau den Grundwasserspiegel auf tschechischer Seite absenkt. Immer mehr Brunnen versiegen schon jetzt, und auch Landwirtschaft ist aufgrund der entwässerten Böden kaum noch möglich.

Tschechien erwirkte beim EuGH eine einstweilige Anordnung, der zufolge Polen den Kohleabbau im Turow bis zum endgültigen Urteil einstellen soll. Polens Regierung, die seit 2015 von der nationalpopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS) gestellt wird, weigert sich jedoch, die Anordnung umzusetzen. Auch die Strafzahlungen in Höhe von 500.000 Złoty (etwa 100.000 Euro) täglich, die Polen auf Antrag Tschechiens nun an die EU-Kasse zahlen muss oder die sonst von den EU-Zuschüssen einbehalten werden, haben die PiS bislang nicht zum Einlenken gebracht.

Beim Tagebau Złoczew würden die gleichen Probleme wie in Turow entstehen: Die Böden würden entwässert und den LandwirtInnen die Lebensgrundlage entzogen. Hier hätte das Loch sogar noch tiefer gegraben werden müssen, da die Kohleflöze in einer Tiefe von 300 Metern liegen. Auch ein Fluss hätte umgeleitet werden müssen. Alle diese Gründe werden bei der Entscheidung, das Projekt Złoczew aufzugeben, eine Rolle gespielt haben, auch wenn dies weder der Konzern PGE noch die Regierung zugeben.

EU fördert Kohleausstieg mit Milliarden

Auch wenn Belchatow noch 15 Jahre am Netz bleiben und Hunderte Millionen Tonnen CO2 in die Luft blasen wird, begrüßten Kritiker der PiS-Klima- und Energiepolitik den Verzicht auf den Tagebau Złoczew als wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Mittel- bis langfristig wird Polen, das noch immer bis zu 70 Prozent seines Stroms aus Kohle gewinnt, den Ausstieg aus dem Energieträger schaffen – auch weil die EU ihn mit milliardenschweren Zuschüssen fördert.

Sorgen machen Greenpeace und anderen Umweltschützern aber die aktuellen Energiepläne Polens trotzdem: Statt verstärkt in erneuerbare Energien zu investieren, will die PiS nun groß in die Atomenergie einsteigen und neben Miniatomkraftwerken auch mehrere große Meiler in Frankreich, Südkorea oder den USA ordern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.