: Polizisten „mauerten“
■ Als Zeugen im Prozeß unglaubwürdig
Richter Wendt war entsetzt über das „sehr traurige Bild“, das die als Zeugen vernommenen Polizisten in der Hauptverhandlung gegen einen Libanesen abgaben. Mit ihren unglaubwürdigen Erklärungen zu einem brutalen Gummiknüppeleinsatz, mit dem sie gegen den Angeklagten Taha I. vorgegangen waren, hatten sie das Gericht in Rage gebracht. Ihr Opfer, Taha I., stand wegen Widerstands, Körperverletzung und Beleidigung von Polizeibeamten vor dem Jugendgericht. Übereinstimmend werteten Staatsanwaltschaft, Verteidigung und das Gericht die Aussagen als nicht glaubhaft. Staatsanwalt Frank Thiel bezeichnete einen der sieben Beamten als das „personifizierte schlechte Gewissen“. Taha I. wurde am Donnerstag abend freigesprochen.
Am 4. Juni letzten Jahres hatten Taha I. und sein Bruder Ali auf ungewöhnliche Weise versucht, in ihren Wagen einzusteigen. Da die Fahrertür klemmte, trat Taha I. von innen dagegen, während Ali I. das Seitenfenster von außen einschlug. Als eine vorbeifahrende Polizeistreife das Geschehen in der Lübbener Straße beobachtete, stand für die Beamten fest, daß es sich um eine Straftat handeln müsse. Sie ließen den Brüdern keine Gelegenheit, ihr Verhalten zu erklären, sondern prügelten und traten auf sie ein.
„Nur der Knüppel hat gefragt“, sagte Ali, gegen den noch ein Verfahren wegen Widerstand und Körperverletzung läuft. Ein Beamter hatte gegenüber Alis Ehefrau, die neben Anwohnern und Passanten Zeugin des Vorfalls war, von einem „Blackout“ seiner Kollegen gesprochen. Ihr siebenjähriger Sohn, der den Einsatz mit ansehen mußte, hatte sich vor Angst in die Hosen gemacht.
Richter Wendt sagte in der Urteilsbegründung, daß er den Eindruck habe, daß die Polizeibeamten „gemauert“ hätten. Eine so „schleppende und nervöse Aussage“ wie die des Beamten T. habe er „lange nicht gehört“. Einem anderen Beamten bescheinigte er, daß er ein „jämmerliches Bild“ abgegeben habe. Staatsanwalt Thiel, der nach diesen Aussagen Freispruch für den Libanesen beantragt hatte, fand die Darstellung des Geschehens „nicht nachvollziehbar“.
Rechtsanwalt Christian Ströbele strebt nun eine Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens gegen die Polizisten an. Das Verfahren gegen fünf Beamte wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt, Nötigung und Freiheitsberaubung war im September letzten Jahres eingestellt worden. Ströbele geht davon aus, daß das Verfahren gegen Ali I. eingestellt wird. Barbara Bollwahn
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