: Polizei ruft laut um Hilfe
■ Zu Silvester „bettelt“ Bremen um von 120 Bundesgrenzschützer
“Da hilft nur noch beten, daß in Bremen nichts passiert, was einen polizeilichen Großeinsatz erforderlich macht.“ Der Polizist, der in Bremen auf Stoßgebete zurückgreift, heißt Hans Schulz und ist Vorsitzender der hiesigen Gewerkschaft der Polizei: „Bei Werder-Spielen müssen Kräfte aus Hamburg angefordert werden, für die bevorstehenden Silvesterkrawalle wurde um 120 Bundesgrenzschützer in Bonn gebettelt.“ Schulz und vier seiner Gewerkschaftskollegen traten gestern vor der Presse als schärfste Kritiker des bremischen Polizeiwesens auf:
In der „Drogenbekämpfung“ verwalteten BeamtInnen nur noch die Akten, so daß sie von Staatsanwälten bereits mit Dienstaufsichtsbeschwerden überzogen würden. Die vom Senat angekündigten 20 zusätzlichen Drogenbekämpfer seien „eine Farce“, denn es würden keine neuen Stellen geschaffen, sondern die 20 Kollegen sollten aus dem bereits unterbesetzten Schichtdienst der Reviere genommen werden.
Auf vielen Revieren werde die Situation „unerträglich“. Die BeamtInnen schöben einen Berg von 36.868 Überstunden vor sich her, die wenigen freien Wochenenden gingen für Einsätze bei „Werder“-Spielen drauf. Kein Wunder, daß Beamte sich weigerten, im vierten Jahr hintereinander eine Einladung zu einer privaten Silvesterfeier platzen zu lassen, um schon wieder auf der Sielwall- Kreuzung Dienst zu tun. Bei dieser Art von Einsatzbereitschaft könnten private Kontakte nicht mehr gepflegt werden: „Die Kollegen werden nicht mehr eingeladen.“
Im Bereich der kriminalpolizeilichen Spurensuche seien seit Januar 1990 900 Tatorte nicht aufgesucht worden: „Stunden-und tagelang müssen die Geschädigten auf das Erscheinen des Erkennungsdienstes warten.“
Den zuständigen Innensenator Peter Sakuth nannte Gewerkschafter Schulz „sicherlich gutwillig.“ Daß Bremens PolizistInnen im Gegensatz zu LehrerInnen und ErzieherInnen jedoch erst nach den Haushaltsberatungen aufmuckten, liege daran, daß sie fälschlicherweise auf die Durchsetzungsfähigkeit ihres Senators vertraut hätten. Für das neue Jahr kündigten die Gewerkschafter mehr an als Gebete: Von „Streik“ war die Rede. Innensenator Sakuth kritisierte die Beamten umgehend: „Die bewußten Fehlinformationen der GdP schmälern das Vertrauen der Bürger in die Polizei.“ B.D.
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