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Polizei hindert Polen am Lastwagenkauf

■ Manfred B. will seinen Lastwagen an Polen verkaufen, doch der Verkauf scheiterte dreimal, weil die Polizei die polnischen Interessenten immer festnimmt / Letzte Woche beschlagnahmte die Polizei den 7,5-Tonner, entschuldigte sich später aber

Kreuzberg. Manfred B., 47 Jahre und selbständiger Schrotthändler, wird seinen alten 7,5-Tonner Mercedes einfach nicht los. Nein, nein - es liegt nicht daran, daß es keine Käufer für den Laster gebe. Nur jedes Mal, wenn seine Kunden eine Probefahrt unternehmen wollen, werden sie von der Polizei festgenommen. Nun sind B.s potentielle Käufer nicht irgendwelche Käufer, sondern Käufer polnischer Nationalität. Die bieten nämlich verhältnismäßig viel Geld für den alten Benz mit Holzpritsche und Ladehilfe: 4.000 Mark.

Nach monatelangem, kostenlosem Inserieren in einem Anzeigenblatt zeigten sich Anfang Juli die ersten beiden Polen interessiert. Edmund M. und Kazimir W. konnten den Wagen in der Kreuzberger Müllenhofstraße 150 Meter zur Probe fahren - da waren sie auch schon da, die Zivilpolizisten. Manfred B. berichtet, daß die getarnten Ordnungshüter seine beiden Käufer gleich in Handschellen genommen hätten. Sie würden „schwarzarbeiten“, hätten die Beamten vermutet. Den Polen sei später eine „Ausweisungsverfügung“ in die Päße gestempelt worden, mit der ihnen die Einreise nach West -Berlin ein Jahr lang untersagt ist. Der Laster sei den Zivilen aufgefallen, weil er mitten auf der Straße „gestanden“ habe. M. und W. kauften den Laster nicht.

Das zweite Mal, am Dienstag letzter Woche, wurden nicht nur die beiden polnischen Kunden festgenommen, sondern der Laster gleich beschlagnahmt - deutsche Wertarbeit sozusagen. Der Kunde Jerek P. und ein Freund schafften mit dem Laster vor der Fest- und Beschlagnahme immerhin ein paar Kilometer bis in die Tempelhofer Gradestraße. Dort luden sie auf einer Baustelle Schrott auf den braunen Laster, wurden aber von einem Anwohner beim „Freund und Helfer“ als Diebe denunziert. Zu Unrecht - hatte der Polier der Baustelle es den Polen doch erlaubt, das verrostete Metall abzuholen. Am gleichen Abend wurden die zwei Festgenommenen wieder auf freien Fuß gesetzt, Manfred B. konnte seinen Laster samt Entschuldigung abholen, berichtet er. Nur aus dem Verkauf wurde wieder nichts, wenn P. auch sein Interesse nicht verlor.

Vorgestern sollte P. erneut zur Probe fahren. Nach 150 Metern war die Fahrt wieder zu Ende, und dann folgte alles wie oben schon einmal berichtet, nur mit dem Unterschied, daß P.s Paß nicht gestempelt wurde. Dafür saß er gestern nachmittag im Polizeigewahrsam in der Gothaer Straße. Heute vormittag soll ein Richter entscheiden, ob P. abgeschoben wird. In Gewahrsam sei der Pole, so die Polizeipressestelle, weil er verdächtigt wird, nach West-Berlin illegal eingereist zu sein.

Langsam wird Manfred B. auf die Kollegen der Polizei sauer und fühlt sich und seinen alten Laster ziemlich intensiv beobachtet und wird ihn schließlich auch nicht los. Doch ausgiebige Probefahrten müsse er den polnischen Kunden schon zugestehen. Die wollen nämlich nur einen zuverlässigen Lastwagen erwerben, weil ein kaputter ihnen wenig nütze. In Polen sei ein 7,5-Tonner nur sehr schwer zu reparieren. Und dann wollen polnische Kunden ihren neuerworbenen Laster auch kräftig volladen, wollen deshalb mit ihm herumfahren. An der Oder-Neiße-Grenze ist in den letzten Monaten der Zloty-Zoll für Import-Fahrzeuge kräftig gestiegen, nicht aber für manche Ladung. Manfred B. erzählt, daß die Polen besonders gerne alte Kühlschränke und Batterien mit über die Grenze nehmen.

Seinen Laster will Manfred B. verkaufen und sich einen kleineren, billigeren kaufen. Durch die Öffnung der Grenze ist sein Job, mit Schrott zu handeln, ein wenig schwerer geworden, wegen der Konkurrenz durch Bürger der DDR und Polen. Die schleppen aus ihren Ländern zum Schrottgroßhandel alles, was sie kriegen können. Für Manfred B.s Schrott läßt die Nachfrage nach. Und die Ost-Konkurrenz ist auch auf B.s Idee gekommen, Schrott bei Firmen abzuholen. Nur die Ostler nehmen für das Abholen von Altmetallen weniger Geld als die deutschen Schrotthändler. „Doch mit der neuen Konkurrenz werde ich fertig“, sagt Manfred B. „Nur mit der Polizei nicht.“

Dirk Wildt

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