Polizei-Museum: Dunkle Flecken auf der Schutzweste
Ab 2012 möchte die Hamburger Polizei ihre erfolgreiche Vergangenheit zur Schau stellen - in einem eigenen Museum. Dabei sollen weniger vorzeigbare Kapitel allerdings unter den Teppich gekehrt werden.
Kurz vor Weihnachten hat der Innenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft am morgigen Dienstag ein heikles Thema auf dem Programm: das künftige Polizeimuseum auf dem Gelände der heutigen Landespolizeischule in Hamburg-Alsterdorf. Konzipiert hat das Museum bislang im Alleingang der Hamburger Polizeiverein, ein Zirkel ehemaliger und aktiver Polizeiführer, früherer Innensenatoren und ihrer Gefolgschaft. Das Heikle: Wichtige Epochen der Polizeigeschichte sollen in dem 2012 eröffnenden Haus ausgeblendet werden. Darunter etwa die Gräueltaten der Polizeibataillone 101 bis 104 sowie des Reserve-Polizeibataillon 101 an Juden während des Nazi-Regimes in Polen, die Rolle der Polizei beim "Altonaer Blutsonntag" 1932, aber auch der "Hamburger Kessel" 1986.
Die Linksfraktion und die 16 Hamburger Geschichtswerkstätten fordern nun externe Kompetenz hinzuzuziehen: "Für die Auswahl der Exponate sowie deren organisationsgeschichtliche Kontextualisierung soll ein wissenschaftlicher Beirat eingerichtet werden, der die Polizei in allen geschichtswissenschaftlichen Fragen berät", sagt die innenpolitische Sprecherin der Linken, Christiane Schneider.
Nach Aussagen des Senats soll in Alsterdorf auf mehr als 1.000 Quadratmetern Fläche soll ein einzigartiges Museum entstehen: In die Sammlung von Uniformen, Artefakten, Mordinstrumenten, Tatort-Requisiten, Filmen und Videos sowie kriminaltechnischen Instrumenten soll auch die 5.700 Exponate umfassende polizeiinterne kriminalpolizeiliche Lehrmittelsammlung einfließen, die 1893 gegründet worden ist und in den 1960 Jahren zum Teil Gegenstand der ZDF-Serie "Das Kriminalmuseum" war. Der Senat nennt die Sammlung die umfangreichste und polizeihistorisch wertvollste ihrer Art weltweit und spricht von einer erheblichen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung mit hohem kulturgeschichtlichen Wert.
Der Polizeiverein Hamburg ist ein illustres Kartell aus aktiven und ehemaligen Angehörogen von Polizei, Politik und Justiz. Ein Auszug aus der Mitgliederliste:
Christoph Ahlhaus, Erster Bürgermeister, davor Innensenator
Willi Beiß, Landeswahlleiter
Peter Born, Polizei-Gesamteinsatzleiter, vom Verwaltungsgericht mehrfach gerügt wegen Verletzung des Demonstrationsrechts
Ralph Bornhöft, als Leiter der Ausländerbehörde mit rigider Abschiebepolitik hat der Sozialdemokrat seit fast 20 Jahren alle Regierungswechsel überlebt
Hartmut Dudde, Leiter der Bereitschaftspolizei, wegen überzogener Einsätze in Gorleben und dem Hamburger Schanzenviertel als "Prätorianer" bezeichnet
Reinhard Fallak, Vize-Polizeipräsident, Ex-Polizeisprecher, war im Privatfernsehen bereits "dem Täter auf der Spur"
Werner Jantosch, Polizeipräsident seit 2004. 1991 verweigerte ihm eine Einheit Bereitschaftspolizei den Befehl, als er eine Trauerkundgebung auflösen lassen wollte
Bernd Metternhausen, ehemals Leiter der Davidwache, bildete später Polizisten im früheren Jugoslawien aus
Thomas Mülder, Ex-Leiter der Bereitschaftspolizei, verantwortlich für die Auflösung vieler Demonstrationen
Udo Nagel, ehemaliger Polizeipräsident Ronald Schills, Innensenator im CDU-Senat. Jetzt Gesellschafter der Security-Firma Prevent, gegen die im Zusammenhang mit HSH-Nordbank-Affären ermittelt wird
Alfons Pawelczyk, ehemaliger SPD-Innensenator, der im Sommer 1986 in Abwesenheit von Bürgermeister Klaus von Dohnanyi die besetzten Häuser der Hafenstraße räumen lassen wollte
Klaus Püschel, Leiter der Rechtsmedizin am Uniklinikum Eppendorf, machte den Einsatz von Brechmitteln gegen mutmaßliche Dealer hoffähig
Klaus Rürup, maßgeblicher Verantwortlicher für den "Hamburger Kessel", der Freiheitsberaubung schuldig gesprochen
Olaf Scholz, Interims-Innensenator, ließ 2001 Brechmittel gegen vermeintliche Dealer einsetzen. Derzeit SPD-Bürgermeisterkandidat
Ernst Uhrlau, Ex-Polizei- und Verfassungsschutzpräsident sowie und Koordinator für die Geheimdienste, heute BND-Chef
Reinhard Wagner, ehemals Chef des Hamburger Verfassungsschutzes
Arno Weinert, ehemals leitender Generalstaatsanwalt
Sie enthält unter anderem Utensilien und Anzüge des "Lords von Barmbeck", der ab 1904 Kopf einer Einbrecher- und Verbrecherbande war; die "Honka-Säge" des Frauenmörder Fritz Honka, der in den siebziger Jahren vier Frauen umbrachte, die Leichen zerteilte und in die Dachboden seines Wohnhauses einmauerte; die "Weltkriegs MP des 17-jährigen Elternmörders", das "Todesfass des Lottokönigs", im das die Leiche eines Lottogewinners einzementiert wurde, ehe die Täter es in der Alster versenkten; oder die Schusswaffe, die die Rechtsanwältin Isolde Oechsle-Misfeld 1986 ins Polizeipräsidium schmuggelte, womit ihr Geliebter und Berufskiller Werner Pinzner den Staatsanwalt Wolfgang Bistry erschoss sowie seine Frau und sich selbst hinrichtete.
Anders als die Rolle der Polizei in der Kaiserzeit oder während der Weimarer Republik sollen etwa die Verbrechen des Reserve-Polizeibataillons 101 unberücksichtigt bleiben: "Das Polizeibataillon ist im Grobkonzept nicht drin", sagte der Vorsitzende des Polizeivereins, Dirk Reimers, selbst ehemaliger Polizeipräsident und Staatsrat der Innenbehörde, kürzlich dem NDR. Dabei ist die Geschichte eben dieser Einheit, für die Beamte rekrutiert wurden, die zu alt waren für Wehrmacht und Polizeidienst, ausgeleuchtet: Im Sommer 1942 waren die 500 Mann nach Polen geschickt worden, um in den Dörfern Juden aufzuspüren. Alte, Kranke, Frauen und Kinder sollten sofort erschossen werden - die Hamburger Reservepolizisten erschossen nachweislich 38.000 Menschen, mindestens 42.500 weitere führten sie dem KZ Treblinka zu.
Aber auch der "Hamburger Kessel" von 1986, in dem 861 Atomkraftgegnern 13 Stunden lang durch die Polizei auf dem Heiligengeistfeld festgehalten wurden - ohne Verpflegung oder Zugang zu Toiletten - soll im Ausstellungs-Parcours nicht vorkommen. Ebenso wenig der Hamburger Polizeiskandal im Jahr 1994: Dabei waren mutmaßliche Drogendealer durch das Besprühen mit Desinfektionsspray, Schein-Hinrichtungen oder schlicht Prügel misshandelt worden. Am Ende musste SPD-Innensenator Werner Hackmann zurücktreten, der heutige Polizeivereins-Chef Reimers, damals Polizeipräsident, wurde Staatsrat in der Finanzbehörde.
1991 gründete Reimers zusammen mit Landespolizeidirektor Heinz Krappen - als Mitverantwortlicher des Hamburger Kessels wegen 861-facher Freiheitsberaubung verurteilt - den "Polizeiverein Hamburg - Vereinigung zur Förderung des Verständnisses zwischen Bürgern und Polizei". Der sollte offiziell vor allem Träger der alljährlichen Polizeishow sein, aus der sich der Verein hauptsächlich finanziert. Von Anfang an allerdings stand die Einrichtung ein Polizeimuseum ganz oben auf der Agenda.
Der Verein ist bis heute deutlich mit Teilen des Hamburger Polizeiapparats verzahnt. Zeigte der Verein etwa deutliche Genugtuung, als 2001 der SPD-Innensenator Helmuth Wrocklage zurücktrat und Polizeipräsident Justus Woydt (SPD) abgesetzt wurde, gehört Woydts derzeitiger Amtsnachfolger Werner Jantosch seit langem dazu und ist Ehrenmitglied des Vereinsvorstands - wie satzungsgemäß jeder Polizeipräsident. Und so findet sich bei Vereinssitzungen gern der Punkt "Aktuelle Entwicklungen in der Hamburger Polizei" auf der Tagesordnung: Da berichtet Jantosch dann über den Austausch von Dienstpistolen, den Einsatz von Polizeiausbilder in Afghanistan, Georgien und Bosnien, den Aufbau einer Reiterstaffel oder auch die Videoüberwachung. Das belegen Protokolle, die der taz vorliegen.
Gerade Jantosch hat offenbar ein Fable für das Polizeimuseum: Den Aufbau der Ausstellung hat er polizeiintern zur Chefsache erklärt. Da dürfte es ihn gefreut haben, als die Hamburgische Bürgerschaft dem Polizeiverein 350.000 Euro zur Grundsanierung eines Museums zu Verfügung stellte.
Polizeiführung und Polizeiverein, sagt die Linken-Abgeordnete Schneider, "wollen die rechtsstaatsfeindlichen Kapitel der Hamburger Polizeigeschichte nach 1945 verschweigen". Polizeipräsident Jantosch und der Vereinsvorsitzende Reimers seien eindeutig befangen, was die historischen Fakten angehe, beklagt Schneider. "Das Hamburger Polizeimuseum darf kein Abenteuerspielplatz mit Blaulicht-Action und auch keine PR-Abteilung der Polizeiführung werden."
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