Politisches Gerangel in Griechenland: Papandreou sucht "Nationale Einheit"
Der griechische Premier hat die Vertrauensabstimmung zwar gewonnen, sein Schicksal bleibt jedoch ungewiss. Die Opposition sperrt sich gegen eine Regierung der "Nationalen Einheit".
ATHEN dpa/reuters/dapd | In Griechenland gehen die Bemühungen zur Entschärfung der innenpolitischen Krise weiter. Am Sonntagmittag wollte Staatspräsident Karolos Papoulias Gespräche mit dem Chef der bürgerlichen Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND), Antonis Samaras, führen. Es geht um die Bildung einer von Ministerpräsident Giorgos Papandreou geplanten neuen Regierung der nationalen Einheit.
Samaras lehnt jedoch eine Beteiligung daran bisher ab. Hinter den Kulissen habe es die ganze Nacht lang Gespräche gegeben, berichteten griechische Medien am Sonntag übereinstimmend. Staatspräsident Papoulias versuche, die Kluft zwischen Samaras' Konservativen und Papandreous Sozialisten zu überbrücken. Aus Regierungskreisen verlautete, dass das griechische Kabinett am Sonntag ein informelles Treffen abhalten werde.
Nach einem Gespräch mit Präsident Papoulias am Samstag hatte Ministerpräsident Giorgos Papandreou einen politischen Konsens verlangt, um Griechenlands Mitgliedschaft in der Eurozone zu sichern. Auch hatte er erklärt, vorgezogene Wahlen vermeiden zu wollen – und deshalb Kontakt zur Opposition aufnehmen zu wollen. Aus Regierungskreisen hieß es, dass die Hintergrundgespräche von Finanzminister Evangelos Venizelos geführt würden. Dieser solle auch Chef der neuen Regierungskoalition werden.
"Mein Ziel ist es, umgehend eine Regierung der Zusammenarbeit zu bilden", sagte Papandreou am Samstag zu Papoulias, bevor sich beide zu Beratungen zurückzogen. "Fehlender Konsens würde die Bedenken unserer europäischen Partner hinsichtlich der Mitgliedschaft unseres Landes in der Eurozone schüren", sagte der Ministerpräsident. Erst am Freitagabend hatte er eine Vertrauensabstimmung im Parlament gewonnen. Papandreou hatte aber auch seine prinzipielle Bereitschaft bekundet, seinen Posten zu räumen.
Übergangsregierung ja, nationale Einheit nein
Oppositionschef Antonis Samaras hingegen will von einer "Regierung der nationalen Einheit" offenbar nicht viel wissen. "Wir haben nicht um einen Platz in seiner Regierung gebeten", kommentierte der Vorsitzende der konservativen Partei Neue Demokratie (ND) in einer Fernsehansprache Papandreous Pläne. "Alles, was wir wollen, ist der Rücktritt von Herrn Papandreou, weil er zur Gefahr für das Land geworden ist." Seine Partei bestehe auf "sofortige Neuwahlen".
Er befürworte allerdings eine breite Koalitionsregierung für eine kurze Zeit, damit das Parlament die Bedingungen für das europäische Rettungspaket für Griechenland billigen könne, sagte Samaras. Sie solle aber nur die kurze Zeit bis zu vorgezogenen Wahlen überbrücken.
Griechen wollen nicht wählen müssen
Die Griechen ziehen Umfragen zufolge eine mehrere Monate dauernde nationale Einheitsregierung Neuwahlen vor. Eine Befragung im Auftrag der griechischen Zeitung Proto Thema vom Samstag ergab, dass 52 Prozent der Griechen den von Papapandreou vorgeschlagenen Plan bevorzugen. Nur 36 Prozent wollen lieber vorgezogene Neuwahlen. In einer weiteren Umfrage der Zeitung Ethnos sprachen sich 45 Prozent der Hellenen für eine nationale Einheitsregierung und 41,7 Prozent für Neuwahlen aus.
Am Sonntag überboten sich die griechischen Zeitungen denn auch mit warnenden Schlagzeilen: "Sie pokern auf der Titanic", schrieb die Athener Kathimerini. "Zwischen Euro und Drachme", titelte die Sonntagszeitung To Vima. Ausländische Botschaften in Griechenland würden ihre Bürger bereits vor Chaos warnen, falls das neue Spar- und Hilfsprogramm nicht unter Dach und Fach komme, berichtete das Blatt weiter. Diplomaten wollten dies auf Anfrage freilich nicht bestätigen.
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