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GASTKOMMENTARE„Politikgeld“

■ Der produktive Umgang der FDP mit dem Urteil zur Parteienfinanzierung

Ein Unglück nach dem anderen widerfährt den Parteien: Mitgliederschwund, miserable Wahlbeteiligung, Proteststimmen und dann auch noch das Urteil des Verfassungsgerichts, das die Schatzmeister der Parteien in Verzweiflung stürzte. Hier zeigt die FDP gerade jetzt hohe Nehmerqualitäten! Wenn für die Politik heute der Vergleich mit dem Catchen gestattet ist: angeschlagen taumeln vier Streiter aneinander vorbei durch das Karree, nur die FDP blickt klar: Wenn nun von den Steuerzahlern weniger zu holen ist als bisher, dann kann man es ja mal bei den Ossis versuchen.

Verglichen mit den anderen Bürgern der DDR waren die Blockparteien zwar unfrei, aber reich. Jetzt sind sie frei, und deshalb kann man ihnen als Ausgleich vielleicht den Reichtum nehmen. Bekanntlich hatte es die FDP nach dem Fall der Mauer für richtig gehalten, die Blockparteien LDPD und NDPD an sich zu fusionieren. Schließt dies nicht auch den Zugriff auf ihre Kasse ein? Alle diese Kassen sind gegenwärtig versiegelt. Den Schlüssel hat eine unabhängige Kommission, die zum Beispiel zu prüfen hat, ob die jeweiligen Vermögensobjekte der Blockparteien auch rechtens erworben seien. Im hastig geschriebenen Einigungsvertrag war dafür ein neuer juristischer Begriff benutzt worden, nämlich der „Erwerb nach rechtsstaatlichen Grundsätzen im Sinne des Grundgesetzes“. Was das bedeutet, ist erst noch zu ergründen.

Hier setzt der FDP-Bundesschatzminister Hermann Otto Solms zur Attacke an. Das Prinzip: wenn nicht bewiesen werden könne, daß der Erwerb unrechtmäßig war, dann spreche die Vermutung für die Blockpartei. Da die Unrechtmäßigkeit nicht einwandfrei feststehe, soll die Kommission mindestens 20 Millionen für die Freien Demokraten freistellen. Bei Weigerung droht Solms mit dem Gericht und noch weitergehenden Forderungen.

Bisher meinte die Kommission, das zweifelhaft erworbene Vermögen könne man für gemeinnützige Zwecke in den neuen Bundesländern verwenden. Daraus soll nach Solms nichts werden, wenigstens bei den beiden FDP-Blockparteien habe die Aufwertung des Unternehmertums den Vorrang: Unternehmerisches der Blockparteien gehört der Wessi-FDP, denn die vertritt ja das Unternehmertum am nachdrücklichsten. Die Parteien hätten Grund, in sich zu gehen mit der Frage: gehen wir mit dem fremden Geld — dem der Steuerzahler — auch richtig um? So meinte das Verfassungsgericht. Es meinte eigentlich nicht, beim Zudrehen des Geldhahns die Phantasie beim Zugriff auf fremde Gelder zu steigern. Erwin K. Scheuch

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