: Politik und Patriarchat
■ Machtlose Politikerinnen durften über die Abschaffung des Paragraphen 218 nur reden
KOMMENTARE
Ich kann sie mir vorstellen, die Herren Kohl, Dregger, Bötsch, wie sie den Lambsdorff auf ihre Seite zogen: Nun mach schon Junge! Willst Du im Ernst Deine Macht für das bißchen Frauenkram aufs Spiel setzen? Und noch viel beser kann ich sie mir danach vorstellen: ihren dreisten Triumph, ihre Selbstgefälligkeit. Ein Prosit auf den Grafen!
Wie da nicht zynisch werden? Die FDP ist und bleibt eine Umfallerpartei - jemals etwas anderes erlebt? Aber die Frauen! Blamiert, gedemütigt und vorgeführt als machtlose Wesen, die wochenlang reden dürfen, aber im entscheidenden Moment buchstäblich den Mund zu halten haben und das auch tun! Und es ist nicht nur die Niederlage und Misere der beiden FPD-Frauen Adam-Schwätzer und Schmalz-Jacobsen, sondern der gesamten Bonner Politikerinnen-Riege. Wie haben sie sich die letzten Wochen abgekaspert, von Rita Süssmuth bis Renate Schmidt. Wie haben sie geredet und geworben und ihre Männer beschworen, wenigstens an diesem einen Punkt eine Verbesserung für Frauen durchzusetzen und den Weg freizumachen für die Abschaffung des Paragraph 218. Dieser Sommer ist ein Lehrstück über Politik und Patriarchat. Und zu befürchten ist: die erbarmungswürdige Rolle der Bonner Frauen ist noch nicht zu Ende. Denn die nächste Unterwerfung steht den Frauen der SPD bevor. Noch werfen sich die Sozialdemokratinnen in die Brust, empören sich über die schwachen liberalen Schwestern und tönen: wir aber werden die Straffreiheit durchsetzen. Lafontaine und Däubler-Gmelin verbürgen sich gar dafür. Was aber, wenn der bekannte Kleinmut siegt? Wird der SPD mit der Gefährdung der deutschen Einheit gedroht, dann bekommt sie doch das große Zittern. Ich lasse mich liebend gern eines Besseren belehren. Sagen wir so: die SPD bekommt die einmalige Chance, Wort zu halten.
Helga Lukoschat
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