: Polen: Streik ausgeweitet
■ 250.000 Kumpel im Ausstand
Warschau (AP) – Die seit Montag streikenden oberschlesischen Bergleute haben ihren Ausstand am Donnerstag weiter ausgeweitet. So sind von dem Arbeitskampf inzwischen 56 Zechen – rund die Hälfte aller schlesischen Kohlebergwerke – mit über 250.000 Beschäftigten betroffen. In einem Brief an die polnische Ministerpräsidentin Hanna Suchocka forderten die Streikenden Gespräche über ein Rettungsprogramm für den polnischen Bergbau, das polnische Parlament befaßte sich statt der geplanten Debatte über ein völliges Abtreibungsverbot mit der Lage im Bergbau. Besondere Aufmerksamkeit widmeten sie dabei der Region um Walbrzych (Waldenburg). Den Kumpels der dortigen Bergwerke droht eine Schließung wegen Unrentabilität.
In Warschau wurde damit gerechnet, daß ein Treffen zwischen Frau Suchocka und dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Solidarność, Marian Krzaklewski, noch in dieser Woche zustande kommen wird. Solidarność hatte den Streik ausgerufen.
Inzwischen haben die beiden anderen polnischen Gewerkschaftsverbände angekündigt, sich dem Ausstand anschließen zu wollen. Auch die schlesischen Transportarbeiter wollen die streikenden Kumpel mit Solidaritätsaktionen unterstützen.
Die Bergleute fordern höhere Löhne und Renten, Stundung der Schulden defizitärer Unternehmen und die Aussetzung des Sanierungsprogramms für den unrentablen Bergbau. Der darin vorgesehenen Schließung von Zechen, die rote Zahlen schreiben, könnten bis zu 180.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen. Der Vorsitzende des Streikkomitees, Waclaw Marszewski, drohte einen langen Arbeitskampf an, wenn es zu keiner Einigung kommen sollte.
Die Sprecherin des Industrieministeriums, Grazyna Lewandowska, zeigte sich angesichts der weit fortgeschrittenen Gespräche zwischen Gewerkschaften und Regierung überrascht von dem Ausstand. Industrieminister Waclaw Niewiarowski brach seine Reise nach Österreich und in die Schweiz vorzeitig ab. Eine länger dauernde Arbeitsniederlegung könnte zu einer Stillegung der Kokereien führen. Das wiederum würde dazu führen, daß in einigen Stahlwerken die Hochöfen ausgingen, was Millionenverluste zur Folge haben werde, warnte Niewiarowski.
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