: Pokern um ein Ende der Atomtests
■ Die nächste Runde der UNO-Abrüstungskonferenz beginnt am Montag in Genf. Clinton will schnellen Erfolg
Genf (taz) – Ein außenpolitischer Erfolg für die Clinton-Administration noch vor den US-Präsidentschaftswahlen Anfang November oder ein Rüstungskontrollvertrag, der eines Tages auch in Kraft tritt: Diese Alternative bestimmt inzwischen die Verhandlungen der Genfer UNO-Abrüstungskonferenz über ein umfassendes Verbot von Atomwaffen- Testexplosionen, die am Montag nach einmonatiger Pause wiederaufgenommen werden.
Während dieser Pause hat sich die Clinton-Administration offensichtlich für die erste Option entschieden und deshalb ihre noch bis Ende Juni vertretene Haltung in einem entscheidenden Punkt geändert. Wie Außenminister Warren Christopher Anfang der Woche anläßlich eines Treffens mit seinem russischen Amtskollegen Primakov in Jakarta bekanntgab, unterstützt Washington jetzt ohne Einschränkung den Vertragsentwurf des niederländischen Vorsitzenden der UNO-Abrüstungskonferenz, Jaap Ramaker. Damit haben die USA ihre Vorbehalte gegen die Formel für das Inkrafttreten des Teststopp-Verfahrens aufgegeben, die von den drei anderen Atomwaffenmächten Großbritannien, Rußland und Frankreich entwickelt und von Ramaker übernommen wurde.
Dieser Formel zufolge soll das Verfahren frühestens zwei Jahre nach der für Herbst dieses Jahres geplanten formalen Verabschiedung des Vertrages durch die UNO-Generalversammlung und nach Ratifizierung durch jene 45 Staaten, die laut einer Liste der „Internationalen Atomenergie- Behörde“ (IAEO) in Wien im April 1996 über Atomreaktoren verfügten, in Kraft treten. Zweck dieser Formel ist es, die potentiell atomwaffenfähigen Schwellenländer in den Vertrag einzubinden; vor allem jene drei, die bekanntermaßen die Entwicklung eigener Atomwaffen betreiben, betrieben haben oder gar bereits einen geheimen Vorrat an Sprengköpfen besitzen: Indien, Pakistan und Israel.
Indien lehnt nach jüngsten Äußerungen seines Außenministers Kumar Gujral gegenüber Christopher in Jakarta den derzeit in Genf vorliegenden Entwurf für den Teststopp-Vertrag weiterhin ab, weil er keine Verpflichtung der fünf Atomwaffenmächte zur Abrüstung ihrer Arsenale enthält. Überdies verbietet er lediglich herkömmliche atomare Testexplosionen, nicht aber andere (derzeit von den USA und Frankreich betriebene) Versuche und Experimente, mit denen neue Sprengköpfe entwickelt werden können. Gerade um zu verhindern, daß das Inkrafttreten eines Vertrages durch bestimmte Länder torpediert werden kann, hatte Washington ursprünglich vorgeschlagen, den Vertrag erst nach Ratifizierung durch 40 nicht näher qualifzierte Staaten in Kraft treten zu lassen.
Trotz seiner starken inhaltlichen Bedenken hat Indien signalisiert, daß es die Verabschiedung des Vertrages durch die Genfer Abrüstungskonferenz nicht durch ein Veto blockieren wird. Im besten Falle könnte die Verabschiedung bei der ersten Plenumskonferenz in Genf am nächsten Donnerstag über die Bühne gehen und die formale Annahme durch die Generalversammlung bereits Mitte September.
Clinton, der ein Teststoppabkommen 1994 zu einer außenpolitischen Priorität seiner Administration erklärt hatte, könnte dann noch rechtzeitig für die Endphase des Präsidentschaftswahlkampfes einen Erfolg reklamieren; das weitere Schicksal des Vertrages in den kommenden zwei Jahren wäre zunächst nicht relevant. Doch bevor dieses Szenario Realität wird, muß Washington noch Bedenken Chinas gegen die Vertragsbestimmungen ausräumen. Dort sind nämlich Vor-Ort-Inspektionen vorgesehen, wenn technische Aufklärungsmittel Hinweise auf Verstöße gegen das Abkommen melden. Wegen dieser Unsicherheit schließen westliche Diplomaten nicht aus, daß sich die Genfer Verhandlungen möglicherweise noch mehrere Wochen hinziehen. Andreas Zumach
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