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Poker um Ersatzdeponie

Auf dem fruchtbaren Lössboden des Hildesheimer Umlandes wachsen nicht nur die dicksten Zuckerrüben der Republik. Mitten in diesem Gebiet liegt das Dorf Hoheneggelsen - seit nunmehr 15 Jahren Standort einer Giftmülldeponie. Dort lagern im „Grundwasserhorizont“ in ausgedienten Tongruben und später ausgehobenen Löchern, sogenannten „Deponiepoldern“ im Grundwasserhorizont, allein in Abfällen von Boehringer 30 Tonnen Dioxine - darunter, so schätzte der ehemalige Landwirtschaftsminister Glup vor dem Landtag, 10 kg reines TCDD. Für die Grünen und die SPD ist Hoheneggelsen seit langem ein Sanierungsfall. Doch seit sich der bundesweite Giftmüllnotstand abzeichnet, ist aus dem Sanierungsfall ein Giftmüllfavorit für die Umweltminister vieler Bundesländer geworden und die roten und grünen Parteigenossen in den Länderregierungen treten den niedersächsischen Op positionspolitikern auf die Füße. Fünf Tage vor der Hamburg–Wahl schrieb Oberbürgermeister Klaus von Dohnanyi einen Brief direkt an Ministerpräsident Albrecht und bezeichnete darin Hoheneggelsen als „die einzig sichere Deponie in Norddeutschland“. Sie stelle damit die einzige ernstzunehmende Alternative zu Schönberg dar. Da sich der Betreiber von Hoheneggelsen, die Dr. Dr. Maier AG, in finanziellen Schwierigkeiten befinde, bot Dohnanyi Albrecht an, daß beide Regierungen mit der Gesellschaft gemeinsam über den Weiterbetrieb verhandeln sollten. Der hessische Umweltminister Fischer hatte schon zuvor in einem Schreiben an seinen niedersächsischen Kollegen Werner Remmers ein Tauschgeschäft angeboten: Hessen wollte gewisse hochgiftige Abfälle aus Niedersachsen in Herfa–Neurode aufnehmen und dafür im Gegenzug große Mengen seiner dioxinhaltigen Filterstäube nach Niedersachsen liefern. Aber auch mit anderen Bundesländern will die Maier–AG nach den Schönberg–Urteilen jetzt wieder ins Geschäft kommen: „Wir sind jetzt praktisch mit Umweltverantwortlichen aller Länder bis auf Bayern im Gespräch“, sagt Dr.Versteyl vom Vorstand der Maier–AG. Seit die Deponie, nachdem die Klagen gegen ihre Erweiterung vorerst scheiterten, vor Monaten wiedereröffnet wurde, hatte die Maier–AG allerdings erstmal „kaum Einlagerungen zu verzeichnen“, wie Dr.Versteyl bestätigt. Man habe eben mit den Preisen je nach Abfallstoff um 80 bis 150 DM pro Tonne über denen von Schönberg gelegen. „Wir legen keinen Wert auf solche direkten Verhandlungen mit der Maier–AG“, sagt jedoch der Sprecher des Umweltministeriums in Hannover zu den Kontakten von Joschka Fischer mit dem Betreiber. Seit längerem laufen zwischen der Maier AG und der Landesregierung Gespräche über die Übernahme der Deponie durch die landeseigene „Niedersächsische Gesellschaft zur Endlagerung von Sonderabfall“ (NSG), wobei man sich nur über den Preis bisher nicht einig werden konnte. Zuerst war ein Verkauf a la Neue Heimat im Gespräch. Das Land wollte die Deponie mitsamt der dazugehörigen Dioxinaltlast für den symbolischen Preis von einer DM übernehmen, die Grundschuld, die auf dem Gelände lastet, allerdings eingeschlossen. Von einem Verkauf für eine DM gegen Übernahme dieser Schulden will das Vorstandsmitglied heute allerdings nichts mehr wissen: „Seit der Neuen Heimat hat ein solcher Verkauf ja immer etwas Anrüchiges an sich“, sagt er. Auf jeden Fall will der größte Altöl– und Giftmüllverwerter der BRD die Deponie Hoheneggelsen auch nach der Übernahme durch das Land weiter betreiben. Das Land Niedersachsen soll die Altlast kaufen, die Schulden übernehmen, nur damit es die Einlagerungstechnik und die Art der einzulagernden Stoffe in Zukunft bestimmen kann. „Wir werden nach der Übernahme durch das Land in unseren Entscheidungen natürlich nicht mehr frei sein“, beschreibt Dr. Versteyl die Veränderung durch den Verkauf. Seit den Schönberg–Urteilen sieht das Umweltministerium nun die Chance, den Poker um die Deponie in einer Koalition aller Parteien über die Bühne zu bringen. Um die Verhandlungsposition der Maier–AG nicht noch mehr zu verbessern, sollen nach Willen des Umweltministeriums Einlagerungen anderer Bundesländer in Hoheneggelsen erst nach der Übernahme durch das Land Niedersachsen möglich sein. Nach dieser Übernahme schließt das Umweltministerium auch eine Beteiligung von Hessen, Hamburg und Schleswig–Holstein an der Endlagergesellschaft, von der das Land ohnehin nur 51 will, nicht aus. Im übrigen zeigt sich Umweltminister Remmers zuversichtlich, daß sich nun auch die Opposition im Niedersächsischen Landtag seinen Vorstellungen anschließen werde. Er halte es für völlig unwahrscheinlich, daß SPD und Grüne in Niedersachsen einen völlig anderen Kurs fahren würden als in Hamburg oder Hessen. Dennoch hat jetzt nach den niedersächsischen Grünen auch die SPD gegen die geplanten Giftmüllimporte Front gemacht. „Dies alles“, so sagt der umweltpolitische Sprecher der SPD–Landtagsfraktion Uwe Bartels, „ist eine üble Kumpanei von Leuten, die in ihren Ländern ihre Giftmüllprobleme nicht in den Griff bekommen konnten“. Der SPD–Fraktionsvorstand habe beschlossen, bei der Ablehnung von Hoheneggelsen zu bleiben.

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