kuckensema: auf bremens leinwand : Poetische Geister: „Erzählungen unter dem Regenmond“ von Kenji Mizoguchi
In Japan sind zwei Genres sehr beliebt: Samuraisagas und Geistergeschichten. Das japanische Kino wurde in den 1950er Jahren im Westen durch zwei Meisterwerke bekannt, die beide Genres mischten: In Akira Kurosawas „Rashomon“ geben nach den Überlebenden auch die Geister der Verstorbenen Zeugnis über eine Bluttat ab. Kenji Mizoguchis „Geschichten unter dem Regenmond“ spielt in kriegerischen Zeiten und basiert auf den beiden Geschichten „Das Haus im Schilfgras“ und „Die Liebe einer Schlange“ von Akinari.
Obwohl Mizoguchi mit diesem Film 1953 den Silbernen Bären von Venedig und einen Oscar gewann, wurde er international lange nicht so erfolgreich wie Kurosawa, denn er war sowohl im Stil wie auch mit seinen Erzählmotiven der japanischen Tradition viel verhafteter als sein Kollege, aus dessen Filmen sich ohne große Schwierigkeiten in Hollywood gute Western zimmern ließen.
So beginnt „Erzählungen unter dem Regenmond“ mit einem Schwenk, der über die Landschaft schweift, als wär‘s ein Blick über eine japanische Schriftrolle. In dem Dorf, das die Kamera schließlich zeigt, leben Genjuro und Tobei. Die beiden Brüder werden durch ihre Gier getrieben: der eine will viel Geld, der andere ein berühmter Samurai werden. Beide stellen Töpferwaren her, die sie in der nächsten Stadt auf dem Markt verkaufen. Ihre Frauen versuchen sie zur Vernunft zu bringen, denn es herrscht Krieg und marodierende Soldaten überfallen Dörfer und Reisende. Doch beide Männer folgen blind ihren Leidenschaften und lassen ihre Familien schutzlos zurück.
Mizoguchis Film zeigt, wie brutal das Leben der armen Leute im Krieg ist. Die Soldaten sind ausgehungert und töten für einen Reiskuchen. Nur durch Glück entkommen ihnen die beiden Brüder und machen in der Stadt ihr Glück, um dann später zu erfahren, welchen hohen Preis ihre Frauen dafür bezahlen mussten.
Das Phantastische kriecht nur langsam und unterschwellig in den Film: Auf einer Fahrt über einen nebelverhangenen See taucht aus der Ferne schemenhaft ein Boot auf. Darin liegt ein Sterbender, der die beiden Männer vor Piraten warnt.
All das ist offensichtlich im Wasserbecken gedreht worden, aber nur selten ist einem Regisseur solch ein unheimlicher Übergang in ein Zwischenreich gelungen. Dabei will Mizoguchi nie erschrecken, seine Geister sind eher poetische als böse Erscheinungen: Mizoguchi schafft seine phantastischen Stimmungen mit einer bewundernswerten Sparsamkeit.
Mizoguchi war ein Meister der nuancenreichen Atmosphären, und sein Film ist gut gealtert. Seine Schönheit und Wahrhaftigkeit bestehen darin, dass er zwar tief in der japanischen Tradition ruht, aber auch die universelle Geschichte von zwei durch ihre Begierden verblendeten Menschen erzählt.
Wilfried Hippen
„Erzählungen unter dem Regenmond“: von heute bis Samstag um 20.30 Uhr sowie am Sonntag und Montag um 18.00 Uhr im Kino 46