■ McCASH FLOW: Pöhl-Effekte
Bei niedrigen Umsätzen und Zurückhaltung institutioneller Anleger aus dem In- und Ausland tendierte der deutsche Aktienmarkt zum Wochenbeginn schwach. Der Deutsche Aktien Index (DAX) durchbrach am Dienstag die psychologische Marke von 1600 Punkten nach unten — und für die nächste Zeit rechnet kaum jemand mit einer kräftigen Erholung. Daran werden auch die Bilanz-Pressekonferenzen, die derzeit auf der Tagesordnung stehen, wenig ändern, wie sich am Beispiel Daimler-Benz zeigte. Der Konzern legte am Dienstag Ergebnisse des ersten Quartals vor, die besser als erwartet ausfielen — dennoch fiel der Daimler-Aktienkurs um über 4 Mark auf 691 DM.
Zur Unsicherheit trugen auch Gerüchte um einen Rücktritt des Bundesbankpräsidenten Karl Otto Pöhl bei. Statt seinen Vertrag bis Ende 1995 zu erfüllen, werde der Bundesbankchef womöglich schon im Herbst 1991 von seinem Posten zurücktreten. Gestern abend war ein Gespräch Pöhls mit dem Kanzler angesetzt.
In Frankfurt sagte Pöhl gestern, daß ihm die Schwäche der D-Mark infolge der deutschen Vereinigung Sorge bereite. Für heute nach der Sitzung des Zentralbankrats hat der Bundesbank-Chef eine Erklärung zu seinen Plänen angekündigt. An der Börse rechnet man bei einem Rücktritt zwar nicht mit einem währungspolitischen Kurswechsel — dennoch würden es die Börsianer gerne sehen, wenn der Währungshüter als „Garant der Unabhängigkeit“ seinen Vertrag erfülle.
An den Devisenmärkten spekulierte man gestern sogar auf eine noch restriktivere Geldpolitik der Bundesbank unter einem neuen Chef — was die Mark gegenüber dem Dollar steigen ließ. Börsengerüchte wollen wissen, daß Pöhl 1992 zu einer US- Adresse wechseln werde.
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