: Platten-Kung Fu
Kid Koala steht lieber hinter vier als zwei Plattenspielern – nur so kann er seine Hände angemessen beschäftigen
„Zic-Zic“. So nennt es Mixmaster Mike von den Invizibl Scratch Piklz, dieses Geräusch, das beim kurzen Anhalten einer rotierenden Vinylplatte entsteht. Einer schönen Geschichte zufolge hat es Grandwizard Theodore an einem heißen Nachmittag des Jahres 1975 entdeckt. Wie der Ur-Turntablist nicht müde wird zu erzählen, verschuldete die Mutter des damaligen Teenagers die Entstehung des Scratchings.
Genervt von der lauten Musik ihres Sohnes ermahnt sie ihn aus dem Wohnzimmer kreischend, die Lautstärke bitte zu vermindern. Ganz wie im Schutzblech-Klapper-Witz kann Theodore Livingstone Junior aber nicht verstehen, was Mama sagt – die Musik ist ja so laut. Also legt er seine Hand auf den Plattenspieler. Dieses Anhalten produziert das wohl meistbenutzte Störgeräusch der Musikgeschichte.
Die Geschichte des Scratchens passt mit ihrem Witz und ihren Zufällen nur zu gut in den Kram von Eric San. Denn Kid Koala, wie er sich seit seinen ersten DJ-Engagements in den Pubs von Vancouver nennt, ist im gleichen Jahr geboren wie der Scratch. Und er hat Turntablism in selten erreichter Weise zur Unterhaltungsform ausgebaut. Mitte der 90er Jahre etwa kamen die Invizibl Skratch Piklz und die X-Excutioners (vormals X-Men) auf die Idee des „Turntable Jazz“: Das DJ-Team als Gruppe, in der jedes Mitglied eine Rolle einnimmt wie in einer regulären Band der Spieler eines Instruments.
Kid Koala nun entwirft sich auf Basis dieser Idee als Solo-Turntable-Entertainer. „Es ist im Grunde, als sehe man ein Theaterstück, einen Film, als schaue man dem Skateboarder Tony Hawk zu oder beobachte einen Kung-Fu-Kampf“, beschrieb der studierte Grundschullehrer in einem Fanzine sein Verständnis eines DJ-Auftritts. Live spielt er lieber hinter vier als hinter zwei Plattenspielern.
Tatsächlich wirkt er wie ein Achtarmiger im Scratchhappyland, wenn er loslegt. Ganz im Geiste der „Monthy Python-Ethik“, wie er einmal sagte, sucht er in seiner Musik nach Humor. Und, auch da kommt wieder die Witz-und-Zufall-Geschichte ins Spiel: Der inzwischen in Montreal lebende Kid Koala folgt in seinen Sets keinem linearen Spannungsaufbau, sondern baut Collagen aus der Laune heraus.
Auf der aktuellen Tour stellt Kid Koala auch sein neues Buch vor: Die romantische Tragödie Nufonia Must Fall erzählt die Geschichte eines Roboters, der sich in eine Büroangestellte verliebt. Mit wenig Stimmbegabung gesegnet, versucht der Roboter verzweifelt, Liebeslieder zu singen. Der Ausgang dieses vom Koalakid gezeichneten Grafikromans ist ungewiss, fest aber steht: Er ist ein Entertainer, im Kritzeln wie im „Zic-Zic“. CHRISTOPH BRAUN
Sonnabend, 23 Uhr, Echochamber